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Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein

Titel: Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein
Autoren: Clough Patricia
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gebeten, ihn in einen anderen Stadtteil zu versetzen. Seit er seine Sachen abgeholt hatte und umgezogen war, sahen sie sich kaum noch. Sie hatten noch keine Zeit gehabt, sich um die Scheidung zu kümmern, das stand noch an. Dirk hatte abgenommen, er sah etwas erschöpft aus.
    Â»Ganz gut«, antwortete Sissi. »Möchtest du einen Kaffee?«
    Â»Sehr gern«, sagte er, »dieser Vormittag hat mich ganz fertiggemacht.«
    Sie setzte sich zu ihm, plauderte ein bisschen mit ihm. Sie sprachen über das Café, Dirk erzählte von seiner neuen Stelle. Sissi hatte über zwei Ecken gehört, dass seine Beziehung zu der jungen Frau nicht gut lief. Aber sie fragte nicht, und er erwähnte sie nicht. Wenn er will, wird er es mir schon erzählen, dachte sie. Ist ja auch nicht mein Problem.
    Viel Zeit hatten sie nicht, es kamen immer wieder Gäste, um die sich Sissi kümmern musste. Jacek war noch nicht da. Als Dirk sah, wie beschäftigt sie war, stand er auf und verabschiedete sich. Auf dem Weg nach draußen fragte er: »Könnte ich dich zu einem Abendessen überreden, irgendwann diese Woche? Wir werden uns doch wohl noch unterhalten dürfen, auch wenn wir getrennt sind, oder? Es ist ja eine Menge passiert in der Zwischenzeit.«
    Sissi war sehr überrascht. Ob er wohl mitbekommen hatte, dass sie nicht mehr mit Marco, dem Architekten zusammen war?
    Â»Stimmt, ja«, antwortete sie. »Am liebsten am Montag, da haben wir hier zu.«
    Â»Gut, dann am Montag«, sagte Dirk. »Ich hole dich ab, um acht?«
    Â»Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll«, sagte sie mir später am Telefon. »Meinst du, er will, dass wir wieder zusammenkommen?«
    Â»Keine Ahnung«, sagte ich. »Er hat schon recht. Es gibt keinen Grund, warum ihr nicht befreundet sein könnt.«
    Â»Ach, daran glaube ich nicht«, meinte Sissi. »Aber nach der Sache mit Marco wäre es schon sehr nett, einen Mann zu haben, mit dem man mal ausgehen kann. Auch wenn es mein zukünftiger Ex ist.« Sissi lachte laut auf.
    Meine Befürchtung hatte sich bestätigt, die Sache mit Marco war nicht gut ausgegangen. Für Sissi war es eine tolle Affäre gewesen, die ihr Selbstvertrauen gegeben hatte und neue Lebensfreude. Eigentlich hatte sie immer gewusst, wie sehr er an seiner Frau und der Familie hing, und sie musste gespürt haben, dass die Beziehung vorbei sein würde, wenn er die Stadt wieder verließ. Sie konnte das alles sehr gut einschätzen. Und doch hatte sie wohl irgendwie gehofft, dass er seine Frau doch noch verlassen und vielleicht eine feste Anstellung hier finden würde. Vor einem Monat war es dann so weit. Das Gebäude war fertig, er musste zurück nach München, um an einem großen Projekt für Dubai mitzuarbeiten. Er versprach, alles zu tun, damit sie sich sehen könnten. Er hoffte, dass sie nach Dubai kommen würde, wenn sein Einsatz dort begann. Doch dann telefonierten sie immer seltener, von Dubai war nicht mehr die Rede. Dann hörte sie Gerüchte, dass er in der Berliner Zeit noch mindestens eine weitere Affäre gehabt hatte. »Er ist so lange von zu Hause fort gewesen«, sagte Sissi resigniert, »ich fürchte langsam, er ist wie ein Seemann, der in jedem Hafen eine Freundin hat. Vielleicht auch mehr als eine. Von der Vernunftseite her wusste ich schon, dass es nur eine kurze Affäre war, dass ich nichts erwarten sollte, dass es irgendwann einfach vorbei sein würde. Aber es hat trotzdem verdammt wehgetan.«
    Das Abendessen mit Dirk war ausgesprochen nett. »Wir haben viel geredet und viel gelacht«, erzählte sie am nächsten Tag. »Fast wie damals, als wir noch nicht verheiratet waren. Es war so unkompliziert, so selbstverständlich. Ist ja auch ganz normal, nach all den Jahren, die wir miteinander verbracht haben. Wir haben beide nichts von unseren Liebesgeschichten erzählt. Trotzdem meine ich verstanden zu haben, dass seine Sache mit dieser Frau nicht gerade das ist, was man eine Traumbeziehung nennt. Aber wer weiß, es kann auch sein, dass ich mich täusche.«
    Dirk ließ ein paar Tage verstreichen, dann rief er an. Er suchte ein Buch und wollte wissen, ob es noch in ihrem Regal stand. Er schlug vor, es im Café abzuholen, wenn sie dort fertig sei, dann könnten sie ja vielleicht noch etwas trinken gehen. Ein paar Tage später rief er wieder an, wieder etwas anderes. Und noch einmal.
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