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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege
Autoren: Carl von Clausewitz
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könnte. Spanien ist zu weit entfernt und zu unvorteilhaft gelegen; die italienischen Staaten sind vorderhand zu morsch und ohnmächtig.
    Die genannten Länder haben ohne ihre außereuropäischen Besitzungen über 75000000 Einwohner zu gebieten, während Frankreich nur 30000000 hat, und das Heer, welches sie zu einem ernstlich gemeinten Kriege gegen Frankreich aufzubieten haben, würde ohne Übertreibung folgendes sein können:
    Österreich 250000 Mann
    Preußen 200000 Mann
    Das übrige Deutschland 150000 Mann
    Die Niederlande 75000 Mann
    England 50000 Mann
    Summa 725000 Mann.
    Treten diese effektiv auf, so sind sie der Macht, welche Frankreich entgegenstellen kann, höchstwahrscheinlich weit überlegen, denn dieses Land hat unter Bonaparte zu keiner Zeit eine Streitmasse von ähnlicher Stärke gehabt. Bedenkt man nun, was an Festungsbesatzungen und Depots zur Bewachung der Küste usw. abgeht, so wird man die Wahrscheinlichkeit einer bedeutenden Überlegenheit auf dem Hauptkriegstheater nicht bezweifeln, und auf diese ist der Zweck, den Feind niederzuwerfen, hauptsächlich gegründet.
    [637] Der Schwerpunkt des französischen Reiches liegt in seiner Kriegsmacht und in Paris. Jene in einer oder mehreren Hauptschlachten besiegen, Paris erobern, die Überreste des feindlichen Heeres über die Loire zurückwerfen, muß das Ziel der Verbündeten sein. Die Herzgrube der französischen Monarchie liegt zwischen Paris und Brüssel, dort ist die Grenze von der Hauptstadt nur 30 Meilen entfernt. Der eine Teil der Verbündeten, die Engländer, Niederländer, Preußen und die norddeutschen Staaten, haben dort ihren natürlichen Aufstellungspunkt, ihre Länder liegen zum Teil in der Nähe, zum Teil gerade dahinter. Österreich und Süddeutschland kann seinen Krieg mit Bequemlichkeit nur vom Oberrhein her führen. Die natürlichste Richtung geht auf Troyes und Paris oder auch auf Orléans. Beide Stöße, der von den Niederlanden wie der vom Oberrhein her, sind also ganz direkt und ohne Zwang, kurz und kräftig, und beide führen zum Schwerpunkt der feindlichen Macht. Auf diese beiden Punkte sollte also die ganze feindliche Macht verteilt werden.
    Nur zwei Rücksichten entfernen von dieser Einfachheit des Plans.
    Die Österreicher werden Italien nicht entblößen, sie werden dort in jedem Fall Meister der Begebenheiten bleiben wollen. Sie werden es also nicht darauf ankommen lassen, Italien durch einen Angriff auf das Herz von Frankreich mittelbar zu decken. Bei dem politischen Zustande des Landes ist diese Nebenabsicht nicht zu verwerfen; aber es würde ein ganz entschiedener Fehler sein, wenn die alte schon so oft versuchte Idee eines Angriffs des südlichen Frankreichs von Italien her damit verbunden und aus diesem Grunde der italienischen Macht eine Größe gegeben würde, die sie zur bloßen Sicherung gegen die äußersten Unglücksfälle im ersten Feldzuge nicht brauchte. Nur soviel soll in Italien bleiben, nur soviel darf der Hauptunternehmung entzogen werden, wenn man dem Hauptgedanken, Einheit des Plans, Vereinigung der Macht, nicht untreu werden will. Wenn man Frankreich an der Rhone erobern will, so ist das, als wenn man eine Muskete an der Spitze ihres Bajonetts aufheben will, aber auch als Nebenunternehmung ist ein Angriff auf das südliche Frankreich verwerflich, denn er weckt nur neue Kräfte gegen uns. Jedesmal, wo man eine entfernte Provinz angreift, rührt man Interessen und Tätigkeiten auf, die sonst geschlummert hätten. Nur wenn sich zeigt, daß die in Italien gelassenen Kräfte für die bloße Sicherung des Landes zu groß wären und also müßig bleiben müßten, ist ein Angriff auf das südliche Frankreich von da aus gerechtfertigt.
    Wir wiederholen es daher: die italienische Macht muß so schwach gehalten werden, als es die Umstände nur irgend zulassen, und sie ist hinreichend, wenn die Österreicher nicht in einem Feldzuge das ganze Land verlieren können. Nehmen wir diese Macht in unserem Beispiele mit 50000 Mann an.
    Die andere Rücksicht ist das Verhältnis Frankreichs als Küstenland. Da England zur See die Oberhand hat, so folgt daraus eine große Reizbarkeit Frankreichs längs seiner ganzen atlantischen Küste und folglich eine mehr [638] oder weniger starke Besetzung derselben. Wie schwach diese nun auch eingerichtet sei, so wird doch die französische Grenze damit verdreifacht, und es kann nicht fehlen, daß dadurch den französischen Armeen auf den Kriegstheatern eine Menge von Kräften entzogen
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