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Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Titel: Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Autoren: Sophie Berg
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schließlich als Krönung zum Doktor der Rechte promoviert wurde. Die akademische Laufbahn seines Sohnes, die ihm selbst verwehrt geblieben war, erfüllte Hubert mit tiefer Freude und Befriedigung. Peter wurde rasch Juniorpartner der hoch angesehenen Rechtsanwaltskanzlei Berendt & Ployer, und Huberts Glück wäre perfekt gewesen – hätte Peter nicht mich getroffen, die ungeliebte Schwiegertochter.
    Ich seufzte und blickte zu meinem Schwiegervater hinüber. Dieser hatte sich, wie immer nach dem Sonntagsfrühstück, in den Lehnstuhl neben dem Kamin zurückgezogen und studierte eingehend die Wochenendausgabe der Zeitung. Wer hätte wohl gedacht, dass wir einmal auf so engem Raum zusammenleben würden? Ohne Mama als schützenden Prellbock zwischen uns. Ohne Peter, dem Grund, dass wir überhaupt miteinander zu tun hatten.
    Peter und ich hatten uns auf einem Studentenfest kennen gelernt. Ich war damals zwanzig, er zweiundzwanzig Jahre alt. Die Musik war laut gewesen, die Stimmung ausgelassen. Ich hatte mich soeben am improvisierten Tresen angestellt, um im Gewühl ein kaltes, erfrischendes Getränk zu ergattern, als sich eine Hand auf meinen Arm legte und eine bislang unbekannte Stimme sagte: »Ich hole dir etwas. Sag mir, was du möchtest.« Mit großen Augen hatte ich zugesehen, wie sich die Menge vor dem jungen Mann zu teilen schien. In Windeseile war er mit zwei Gläsern wiedergekommen.
    Peter Steinberg hatte eine kleine Kostprobe seines Talents gegeben. Dass ich mich auf der Stelle in ihn verliebte, verwunderte keinen. Dass er jedoch mir in den nächstenWochen und Monaten nicht von der Seite wich, verwunderte alle, die uns beide kannten. Am meisten natürlich mich selbst. Peter war aus »gutem Hause« – ich kam aus einfachen Verhältnissen. Er war das gewandte Kind der Großstadt – ich ein schüchternes, etwas verschlossenes Mädchen aus der Provinz. Er hatte eine verwöhnte, allseits beliebte, stets nach einem Hauch Chanel No. 5 duftende Mama (die Betonung auf dem zweiten »a«, bitte schön) – ich eine verhärmte, abgearbeitete, allein erziehende Mutter, die nach Kernseife und billigen Zigaretten roch. Er war verzärtelter Mittelpunkt des Familieninteresses – ich die ältere Schwester eines kleinen, lästigen Bruders. Für ihn war das Studium eine selbstverständliche Sprosse auf der vorprogrammierten Leiter des Erfolgs – für mich ertrotzte Freiheit. Die ich mir nur leisten konnte, weil ich in den Ferien in der Gastwirtschaft meines Onkels dutzendweise Krüge mit Bier schleppte. Peter hatte ebenmäßige Gesichtszüge mit griechischem Profil und Kirschenaugen – meine Augen sind nicht auffällig und überdies hinter einer Brille gegen Kurzsichtigkeit versteckt. Und mein Profil – schrecklich. Meine Nase ist nicht griechisch, sie ist schlicht und einfach groß, breit und lang. Heinrich, mein Bruder, hatte sich schon vor Jahren einen Reim zurechtgelegt, mit dem er mein Selbstbewusstsein gezielt untergraben konnte: »Die Rosi kann mit ihrem Zinken fliehenden Burschen prima winken.«
    Jedes Mal, wenn er diesen Spruch aufsagte, und er sagte ihn oft, sank mein Selbstwertgefühl ein Stück tiefer. Ich hasste ihn dafür. Und es kränkte mich, dass meine Mutter immer wieder schallend, mit von vielen Zigaretten rau gewordener Stimme darüber lachen konnte. Ich habe Heinrich schon lange nicht mehr gesehen. Er ist Polizist geworden und sieht nun im Schwarzwald nach dem Rechten.
    »Herr Gott, Rosalind! Kannst du denn deinem Sohn nicht einmal sagen, er soll gerade sitzen? Man lümmelt sich nicht am Frühstückstisch.« Huberts strenge Worte ließen mich auffahren. Mein Schwiegervater hielt die Zeitung gesenktund blickte mahnend zu mir herüber. Die Lesebrille baumelte an einem goldenen Kettchen über dem dunkelblauen Pullunder. Ich zuckte schuldbewusst zusammen. Meine Söhne reagierten meist viel gelassener.
    »Bitte, Gropa, sag’s uns doch selbst«, forderte Sebastian auch schon und erhob sich. Er angelte mit dem Fuß unter dem Tisch nach seinem Pantoffel. Dann schnappte er seinen Walkman und stöpselte seine Ohrmuscheln zu: »Macht’s gut, Leute. Ich schau bei Jordy vorbei. Mal sehen, was geplant ist. Kommst du mit, Tim?«
    Dieser schüttelte überraschenderweise den Kopf. »Geh schon vor. Ich muss noch für Geografie lernen. Du weißt, die Lehrerin hat mir für morgen eine Prüfung über die skandinavischen Länder angekündigt.«
    »Die skandinavischen Länder sind ein wesentlicher Teil Europas«, dozierte
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