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Vollmondfieber: Roman (German Edition)

Vollmondfieber: Roman (German Edition)

Titel: Vollmondfieber: Roman (German Edition)
Autoren: Amanda Carlson
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begutachtete jede meiner Bewegungen.
    »Schauen Sie!« Ich beugte mein Bein und streckte es wieder. »Sehen Sie, es funktioniert bestens! Keine Schmerzen.« Ich hatte mir inzwischen eine alte Pyjamahose und ein uraltes Radiohead-T-Shirt angezogen, das sich noch aus meinem alten Zimmer im Haupthaus hatte hervorwühlen lassen. Als das Hosenbein der Pyjamahose hochrutschte, erhaschte ich einen Blick auf das dichte dunkle Haar, das mein einst säuberlich rasiertes Bein bedeckte, und mich überfiel ein Würgereiz. »Und, äh, na ja, abgesehen von all diesen ekelhaften Haaren, geht es mir absolut gut.« Kein Geld der Welt könnte mich dazu bringen, einen Blick in meine Achselhöhlen zu werfen. Fest schloss ich die Augen. Wie es schien, kehrte nach einer vollständigen Wandlung die Körperbehaarung zurück. Jedes einzelne Haar.
    »Vorerst wirst du sie benutzen.« Mit einer Kopfbewegung deutete Doc auf die Krücken. »Wenn es dir später besser geht, können wir erneut darüber verhandeln.«
    Ein Kopfsalat wäre leichter zu überzeugen gewesen. Also nahmich die verdammten Dinger und schob sie mir unter die Arme, als ich vom Bett aufstand.
    Der Weg von der Krankenstube zu dem Haus, in dem ich aufgewachsen war, führte ein kurzes Stück weit über einen säuberlich manikürten Rasen. Dieses Jahr war der Frühling außergewöhnlich regnerisch, und das Gras zeigte sich in einem überraschend leuchtenden Grün. Außer mir hielt sich niemand draußen auf, vermutlich auf Anweisung meines Vaters.
    Die Lodge, wie das Haus liebevoll genannt wurde, war in den späten Dreißigern erbaut worden und hatte seither als Heimatbasis für die Northern Territories gedient. Die ausgetretenen Zedernholzdielen wiederzusehen, hob in dem Augenblick, als ich die Lodge betrat, meine Stimmung. Doc war mir vorausgegangen. Jetzt fragte er: »Jessica, willst du vielleicht noch einen Kaffee? Oder einen Tee?«
    »Kaffee wäre toll, danke.« Doc bog in Richtung Küche ab, und ich ging weiter in den gewaltigen, zweigeschossigen Wohnbereich. Der Kamin, gemauert aus Steinen, die aus dem See stammten, nahm die ganze Ostwand ein.
    Es war ein schöner Anblick, aber nicht so schön wie das, was mich an Anblick davor erwartete.
    »Nick!« Ohne einen Gedanken an Doc zu vergeuden, ließ ich die Krücken fallen und hüpfte Nick direkt in die Arme. »Ich bin so froh, dass du hier bist!«
    »Immer mit der Ruhe, Jess!« Nick umfing mich mit einer mächtigen Umarmung, ehe er zurücktrat und mich prüfend beäugte. »Hmm, du siehst tatsächlich recht gut aus. Kein übrig gebliebenes Fell und keine flaumigen Ohren zu sehen. Aber wie geht es dem Bein?«
    »Alles verheilt.« Ich schob den Hosenbund ein Stück weit herunter und zeigte Nick den oberen Teil meiner Hüfte. Das Einzige, was von der Wunde noch zu sehen war, war eine leicht rötliche Verfärbung. »Siehst du? Ziemlich cool, was?«
    »Oh ja, ziemlich beeindruckend!«
    Ich zog Nick mit mir mit und hinüber auf die Couch. Abgesehen davon, dass Nick mein bester Freund war, war er auch ein Werfuchs, kein Wolf. In der Welt der Wandler entsprechen Kraft und Größe der Menschengestalt dem jeweiligen Tier. Also war Nick kein sonderlich großer Kerl, nur ungefähr eins zweiundachtzig. Sein Vater war First Nations Kanadier gewesen, seine Mutter eine Weiße. Nicks Haut hatte daher einen leichten Kupferton; sein dunkles Haar war dicht und zottelig. Nick zu sehen, tat nach all dem Wahnsinn einfach nur gut.
    »Ich bin sehr froh, dass du gleich gekommen bist«, gestand ich ihm. Nick besaß die Fähigkeit, mich auf eine Weise zu beruhigen, wie es niemand sonst konnte. So war das schon seit unserer Kindheit. »Diese ganze Geschichte war ein bisschen verrückt. Ich kann kaum glauben, dass das alles wirklich passiert ist.«
    »Tja, ich bin nur froh, dass du die Wandlung in einem Stück überstanden hast.« Nicks Augen waren von Natur aus von einem beeindruckend dunklen Gold. Nun blitzten sie für einen Augenblick auf, offenbarten seine Gefühle und wirkten noch strahlender. »Du hättest dabei draufgehen können.«
    Ehe ich antworten konnte, marschierten mein Vater und James Graham, sein Stellvertreter, herein. James trug das übliche schwarze T-Shirt und eine Tarnhose, eben die Uniform, in der ich ihn mein ganzes Leben lang gesehen hatte. Das Ensemble passte perfekt zu seinem kurz geschorenen dunklen Haar und der olivfarbenen Haut. Es verlieh seiner hoch gewachsenen Gestalt eine Aura von Gefahr und Stärke. James war ein beeindruckend
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