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Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)

Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)

Titel: Volle Drehzahl: Mit Haltung an die Spitze (German Edition)
Autoren: Uwe Hück
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wiedersehen wollen, diesen Lehrer schon. Ich bin ihm dankbar.
    Dann war da dieser Erzieher auf dem Sperlingshof. Er hatte einen Blick für meinen Körperbau und er sah wohl, wozu ich sportlich in der Lage sein könnte, wenn ich mich anstrengte. »Setz dich mal hin, wir machen jetzt mal Armdrücken«, sagte er eines Abends zu mir. »Versuch ruhig, mich zu besiegen!« Ich glaubte schon, dieser Erzieher wollte mich veräppeln. Was sollte dieses Armdrücken? Wir kannten eine Menge mehr oder weniger gefährlicher Spielchen, um unsere Kräfte zu messen und jetzt kam dieser Erzieher und forderte mich zum Armdrücken heraus! Wir setzten uns gegenüber und legten los. Es war ein kurzer Kampf, ich musste sehr schnell erkennen, dass meine Kraft nicht ausreichte. »Willst du mich nicht mal besiegen?«, fragte er mich anschließend, als ich schon wieder aufstand. »Doch, na klar«, sagte ich. »Dann musst etwas dafür tun. Du musst trainieren, deine Muskulatur auf bauen.«
    Die Niederlage gegen den Erzieher und ein paar auf bauende, motivierende Ratschläge – wieder so ein prägender Augenblick, der mein Leben in die richtige Richtung lenkte. Es war der Beginn meiner Karriere als Sportler. Ich fing an, meinen Körper in Form zu bringen. Wann immer es die Zeit zuließ, ging ich jetzt zum Sport. Liegestützen, Klimmzüge an der Reckstange, Dauerläufe. Ich holte kleinere Baumstämme im Park, die als Gewichte herhalten mussten. Ich spürte, wie mich das regelmäßige Training veränderte. Nicht nur, dass die Hemden am Brustkorb und den Oberarmen enger wurden und spannten. Der regelmäßige Sport veränderte auchmein Wesen. Der Muskelzuwachs verlieh mir ein höheres Maß an Respekt, ich war so stark wie nie zuvor in meinem Leben. Mein Selbstwertgefühl wuchs, die anderen im Heim begannen, mehr Achtung vor mir zu haben.
    Zu meinen neuen Erfahrungen als stattlicher Sportsmann gehörte die Erkenntnis, dass ich jetzt in der Lage war, Schwächeren Schutz zu bieten. Ich musste nicht länger zuschauen, wenn die Kleinen im Heim von den Großen unterdrückt wurden. Ich lernte zu kämpfen wie Winnetou und Robin Hood.
    Als ich vergangenes Jahr mit meiner Thaibox-Show auf dem Sperlingshof gastierte, traf ich den Erzieher von damals wieder. Er erinnerte sich sofort an unser erstes Armdrücken und wir hatten viele Geschichten zu erzählen, denn es ist ja viel passiert seitdem. Er hatte damals erkannt, dass ich ein guter Sportler werden konnte, wenn ich mich führen ließ. Er wusste aber auch, dass er mich provozieren musste, um mich zu überzeugen. Er legte meine Schwäche offen, um daraus eine Stärke werden zu lassen. Die Erzieher in den anderen Heimen, denen meine Zukunft gleichgültig war, hatten immer nur auf meinen Schwächen herumgetrampelt. Ich sagte ihm, dass ich es auch ihm verdanke, später zweimal Europameister geworden zu sein. Mein Erzieher von damals, der heute ein älterer Herr ist, schmunzelte. Ich glaube, in diesem Moment ist er stolz gewesen auf seinen ehemaligen Zögling. Im Armdrücken würde er heute keine Chance mehr haben gegen mich, aber vielleicht würde ich ihn auch gewinnen lassen. Der Sport hat mich gelehrt, ausgeglichener und gelassener durchs Leben zu gehen. Außerdem ich habe noch so viel zurückzugeben.

Kapitel 2
Lehrjahre
    [Bild vergrößern]
    Ich war 15 ½ Jahre alt, hatte die Schule geschafft und wollte ein berühmter Boxer werden. Dieses Leben, das mir bisher so wenige Chancen eröffnet hatte, war vielleicht doch nicht so schlecht. Das regelmäßige Training tat mir gut, mit jedem Mal wurde mein Willen stärker. Es gab ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnte. Ich wollte raus aus dem Sperlingshof und endlich ein Leben beginnen, das ich bestimmen durfte. Das Jugendamt allerdings schien nicht auf meiner Seite, denn ich sollte ins nächste Heim. Nur dem Engagement meiner älteren Schwester Carola ist es zu verdanken, dass es anders kam. Erst konnte ich bei ihr wohnen, dann verhandelte sie mit der Behörde und bekam nach langem Hin und Her die Zusage, dass ich nicht ins nächste Heim musste, sondern eine eigene kleine Wohnung bekäme, wenn ich vorher eine Ausbildung beginnen würde. Ich konnte die Freiheit spüren, auch wenn sie noch mit einer Bedingung verknüpft war. Kein Zimmer mehr, das ich mit bis zu fünf anderen Kindern teilen musste. Kein Gerangel mehr ums Essen, keine Ungerechtigkeiten, keine Unterdrückung mehr. Wie oft hatte ich davon geträumt? Mein Kumpel da oben im Himmel hielt also Wort und
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