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Voll erwischt

Voll erwischt

Titel: Voll erwischt
Autoren: John Baker
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auf eine Meile entdecken. Der Typ war gut und gerne zwei Meter groß, vielleicht sogar noch größer, schlank, eine echte Bohnenstange. Er hatte diese typische Bimbofrisur und Stammesnarben im Gesicht. Egal, wohin er rannte, die Bullen würden ihn noch vor Einbruch der Dunkelheit finden. Und er folgte Norman. Scheiße, er mußte den Kerl loswerden.
    Norman spurtete los, wechselte nach rechts rüber, versuchte, ihn so abzuschütteln, aber der Typ klebte immer noch an ihm, als könnte er nicht selbständig denken. Norman hörte auf zu laufen, ließ den brother ziehen, wohin auch immer er wollte, dann zischte er in eine andere Richtung ab. Der Bulle war immer noch hinter ihnen, aber jetzt folgte er dem brother, ließ Norman allein zurück. Jedesmal, wenn er sich umdrehte, waren der brother und der Bulle weiter weg, irgendwo rechts von ihm. Schließlich drehte er sich um, und da war niemand mehr hinter ihm. Vor ihm auch nicht. Er hörte auch nichts mehr, roch nichts außer frischer Luft.
    Norman lief weiter. Er lief bis zum Einbruch der Dunkelheit, blieb nur still stehen, wenn einer von diesen Hubschraubern über ihn wegzog. Als es dunkel wurde, legte er in einem Straßengraben eine kurze Pause ein, um ein wenig zu verschnaufen. Dann ging’s auch schon weiter. Bei Tagesanbruch mußte er weit weg sein, nicht mehr auf dem flachen Land. Die würden mit ihren Hunden kommen. Die Fahndung würde auf vollen Touren anlaufen.
     
    Hätte er was von den Sternen verstanden, dann hätte Norman sich halbwegs nach ihnen orientieren können. Aber sie waren einfach nur schön. Sein Gefühl sagte ihm, daß er sich nach Süden bewegte, was nicht günstig war, weil er dann zum Gefängnis zurückkehrte und noch mal am Moor vorbei mußte, um anschließend nach Norden zu kommen. Allerdings war er klug genug, sich einen Fixpunkt am Himmel zu suchen und sich grob immer in derselben Richtung zu bewegen, die er bereits eingeschlagen hatte. Von Zeit zu Zeit stieß er auf sumpfige Stellen des Moores, die er umgehen mußte, immer fest den Blick auf diesen einen Punkt am Himmel gerichtet.
    Wenigstens war es warm. Starte einen Ausbruchsversuch im Winter und stapf durch den Schnee - du wirst es nie schaffen. Aber jetzt, im Juni, als überall der nahende Sommer zu spüren war, hätte es nicht besser laufen können, wenn er es geplant hätte.
    Nach weiteren zwei Stunden erreichte er eine Straße und kurz darauf ein kleines Kaff namens Poundsgate. Hier müßte er eigentlich irgendeinen fahrbaren Untersatz auftreiben können. Aber Norman war vorsichtig. In diesen Dörfern am Rande des Moors lebten viele der Schließer. Also ließ er das Dorf hinter sich und folgte den Hinweisschildern weiter nach Widecombe. Ungefähr nach einer Meile hörte er ein Auto kommen. Norman rannte schon zum Straßengraben, blieb dann aber davor stehen. Es hörte sich ganz eindeutig nicht nach einer Bullenkarre an. Eher wie eine dieser alten Klapperkisten, wie nannte man die noch schnell? Ein Vorkriegsmodell, ein Oldtimer. Um diese Uhrzeit? Es mußte doch mindestens drei Uhr morgens sein.
    Norman legte sich mitten auf die Straße. Streckte sich der Länge nach aus, legte den Kopf auf den Arm, damit er dem Auto entgegensehen konnte. Norman spielte toter Mann oder einen Verletzten, dachte, egal, wer in der Karre sitzt, wahrscheinlich hatte er Fluppen dabei. Norman hoffte, daß der Typ jede Menge Zigaretten dabeihatte und im Handschuhfach vielleicht auch noch eine halbe Flasche guten Scotch. Mit ein bißchen Glück hatte er auch noch seine Tochter dabei oder seine junge Braut, und dann hieß es: It’s Party time!
    Der Scheinwerferstrahl kam über die Kuppe des Hügels, dann tauchten die Scheinwerfer selbst am Ende der Geraden auf, und Norman spürte, wie er angestrahlt, in Licht gebadet wurde. Es war wie bei diesem Theaterstück, das sie vor einer Million Jahren zu Weihnachten auf der Schule gespielt hatten. Damals waren es allerdings Schäfer. Norman war dafür verantwortlich gewesen, den Scheinwerfer auf die Schäfer zu richten, sobald der Engel zu singen begann, doch statt dessen richtete er den Lichtstrahl auf Annie Bristol, das Mädchen, das die Jungfrau Maria spielte. Meistens wäre das auch schon in Ordnung gewesen, nur daß Annie Bristol dieses eine Mal nicht auf der Bühne stand. Sie befand sich im Umkleideraum für Mädchen, hatte nichts an außer Schlüpfer und Unterhemd, und als der Lichtstrahl auf sie fiel, ließ sie einen Schrei los, der den Engel übertönte und die
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