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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova
Autoren: Brrazo
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vielleicht? Ein Ring oder so? Vielleicht haben sie sich gestritten, und er hat ihn mitgenommen, weil der Ring uns vielleicht zu ihm geführt hätte, über eine Kreditkarte oder so, verstehen Sie? Hat sie einen Ring getragen?«
    »Nein. – Kann ich die hier behalten? Ich möchte sie gern behalten. Papà hat sie ihr zur Kommunion geschenkt.«
    Röte stieg ihr bei den Worten ins Gesicht, Tränen standen in ihren Augen.
    »Aber natürlich. Sie wollen eine Erinnerung an sie. Sie müssen das nicht erklären. Sie gehört Ihnen, aber jetzt kann ich Ihnen die Kette noch nicht überlassen. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, bekommen Sie sie zurück.«
    »Sonst will ich nichts, nur die Kette.«
    »Das können Sie sich später noch in aller Ruhe überlegen. Bestimmt hätte Ihre Schwester gewollt, dass Sie oder Ihre Mutter auch die hier bekommen. Ein wirklich schönes Paar Ohrringe. Sind das echte Diamanten?«
    »Natürlich sind die echt! Aber ich will nichts davon, kein einziges Stück. Ich interessiere mich nicht für Schmuck.«
    »Sie dürfen sich nicht aufregen. Atmen Sie tief durch.«
    Sie tat, wie Guarnaccia sie geheißen hatte, fixierte ihn dabei mit großen dunklen Augen, die um Hilfe baten.
    »So ist es gut. Schön tief und ganz langsam. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, aber wir können uns Zeit lassen, müssen nichts überstürzen. Wenn es Sie zu sehr aufregt oder wenn Sie müde werden, dann unterbrechen wir und machen morgen weiter, okay?«
    Sie nickte, umklammerte noch immer die Kette und hielt den Blick fest auf ihn gerichtet. Dunkle, lange Wimpern umrahmten Augen, die ihn unverwandt anstarrten …
    »Schön, dann erzählen Sie mir doch ein bisschen über sich selbst.« Die Punkte, die sie aufregen würden, wollte er nach und nach ansprechen, wohldosiert, mit langen Pausen dazwischen. »Sie haben sich gestern um Ihren kleinen Neffen gekümmert. Heißt das, dass Sie nicht arbeiten? Atmen Sie ganz ruhig weiter, keine Grund zur Eile.«
    »Ich bin ganz okay, das schaff ich schon. Ich helfe Papà im Büro, aber nur stundenweise.«
    Die Röte in ihrem Gesicht wich langsam einer normalen Farbe.
    »Verstehe. Was ist das für ein Büro?«
    »Eine Stellenvermittlung. Wir verschaffen den Leuten Arbeit, hauptsächlich Hausangestellte, manchmal auch Bürojobs.«
    Gehorsam atmete sie deutlich hörbar weiter tief ein und aus.
    »Verstehe, wenn ich einen Koch oder einen Gärtner bräuchte, dann würde ich zu Ihnen kommen.«
    »Ja.«
    »Zumindest, wenn ich mir einen leisten könnte.«
    »Bei uns müssen Sie nicht mehr zahlen als bei anderen Agenturen auch.«
    »Natürlich, ja, ganz bestimmt nicht. Ich meinte doch nur, dass ich mir bei meinem Gehalt keinen Koch oder Gärtner leisten kann.« Er lächelte sie freundlich an, um ihr zu zeigen, dass er sie nicht hatte angreifen wollen.
    »Ach so …« Sie antwortete mit einem flüchtigen Lächeln, starrte ihn dann aber gleich wieder ernst mit großen Augen an.
    »Sie haben es wirklich gut, in einem so herrlichen Haus leben zu können.« Das war nur so dahergesagt, er hätte ungern in diesem traurigen, leeren Haus gelebt, das von Baggern entwurzelt wurde. Und doch, das Fenster, vor dem sie saß, bot einen spektakulären Blick auf Florenz unter heiterem Sommerhimmel.
    Immer hübsch langsam und vorsichtig, bremste Guarnaccia sich selbst. Wie die Mutter machte auch das Mädchen den Eindruck eines völlig verängstigten Kindes. Aber reiche Familien beschäftigten gerne kostspielige Rechtsanwälte. Er befand sich mitten in einem Minenfeld. Mit Sicherheit spielte in dieser Geschichte ein Mann eine Rolle …
    »Darf ich mich dort hinsetzen?« Er zog einen robust wirkenden Stuhl zu sich heran. Die Möbel in dem Raum sahen einfach, aber sehr solide aus, passten zu diesem schroffen Wachturm aus Stein. Kostbare Teppiche, weiße Stuhlkissen, Bücherregale und der warme Sonnenstrahl, der ins Zimmer fiel, milderten den herben Eindruck. Guarnaccia hatte einen Blick für stabile Stühle. Er wollte nicht, dass sie weiter zu ihm aufsehen musste. »Darf ich?«
    »Natürlich. Aber – müssen Sie unbedingt diese dunkle Brille tragen? Die stört mich.«
    »Tut mir leid. Ich hab Schwierigkeiten mit den Augen.«
    »Gestern haben Sie sie nicht aufgehabt.«
    »Das stimmt. Aber gestern waren wir unten in der Küche. Hier oben, bei Sonnenschein …« Offensichtlich eine gute Beobachterin, obwohl sie so durcheinander war. Aber das hieß ja noch lange nicht, dass sie ihm auch verriet, was sie
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