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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis
Autoren: Jessica Martinez
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auf seinem Gesicht ablesen wollte, und dann erzählte ich ihm alles. Ich begann mit dem furchtbaren Konzert in Tokio, erzählte ihm von Diana und Dr. Wright, davon, wie ich immer mehr Tabletten brauchte, und dann von dem Abend, an dem ich mich entschlossen hatte, damit aufzuhören – der Abend, an dem wir uns zuerst geküsst hatten.
    Jeremy saß ganz still da. Seine Arme hatte er immer noch um mich geschlungen. Sie waren weder lockerer noch fester als zuvor. Aber seine Stille schien unergründlicher als das sanft wogende Meer vor uns. Ich fuhr fort.
    Ihm davon zu erzählen, wie ich aufgehört hatte, die Pillen zu nehmen, war leichter. Ich bekam langsam das Gefühl, dass ich darauf stolz sein konnte. Ich hatte es durchgehalten und jeder einzelne dieser schmerzhaften Momente gehörte mir ganz allein. Nicht Carmen, der Geigerin, sondern schlicht Carmen.
    Als ich ihm alles erzählt hatte, wartete ich auf seine Reaktion. Er holte tief Luft und hielt sie an. Was hielt er sonst noch zurück?
    »Ich kann einfach nicht fassen, dass du das alles ganz alleine durchmachen musstest«, sagte er schließlich.
    Ganz alleine? »Ich hatte keine andere Wahl.«
    »Doch, die hattest du. Du hättest die Tabletten einfach weiternehmen können, hättest tun können, was sie dir vorgeschrieben haben. Genau wie du die Wahl hattest, als du herausgefunden hast, dass deine Mom die Jurymitglieder bestochen hat.«
    Vielleicht hatte er recht. Aber ich hatte nicht das Gefühl gehabt, eine Wahl zu haben.
    Ich hatte mich vollkommen schutzlos gefühlt, in die Ecke gedrängt, aus der ich nur herauskriechen konnte.
    »Ich glaube, mal abgesehen von meinem Bruder bist du die willensstärkste Person, die mir je begegnet ist.«
    Eine Welle der Erleichterung überrollte mich. Er dachte nicht, dass ich schwach war. Er hasste mich nicht.
    »Und ich glaube, dass du liebend gern wieder spielen würdest«, fuhr er fort. »Ich weiß, dass es mir so gehen würde. Soll ich dir vielleicht meine alte Geige hierlassen?«
    »Nein«, entgegnete ich. »Oder vielleicht doch – ich weiß nicht.«
    »Hast du vielleicht Angst, sie könnte dich von deinem intensiven Training für den Marathon ablenken?«
    Ich lachte auf. »Ganz genau.«
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht dabei sein kann.«
    »Das ist schon okay. Gigi hat gesagt, dass sie für euch beide ein Schild am Ziel hochhalten wird.«
    »Ein Schild? Wahrscheinlich wird sie ein Flugzeug chartern, das den ganzen Tag mit einem HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH CARMEN!-Banner durch die Gegend fliegt. Sie hat dich nämlich sehr gern.«
    »Mmm.« Gigi hatte mich gern – das zu erfahren war ein unerwartetes Geschenk für mich gewesen. Sie hatte mich bei sich aufgenommen und umsorgt. Ganz ohne Grund. »Ein Flugzeug-Banner. Gebongt. Nicht gerade die Art von Ruhm, die du diesen Sommer einheimst …«
    »Ich weiß.« Seine Stimme klang plötzlich wieder ernst. »Genau das macht mir Sorgen.«
    »Warum? Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
    »Ich habe Angst, dass die Geige immer zwischen uns stehen wird.«
    Ich stand auf, drehte mich zu ihm um und nahm seine Hände in meine. »Das werde ich nicht zulassen.«
    Er antwortete nicht.
    »Ich werde es nicht zulassen«, wiederholte ich und zog ihn hoch.
    Er beugte sich zu mir vor und flüsterte mir ins Ohr. »Dann komm mit mir mit.«
    Meine innere Stimme rief: Sag ja! Aber es ging nicht. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Dann komm mit mir mit.
    Immer bei ihm zu sein war genau das, was ich mir sehnlichst wünschte. Aber dann müsste ich mit ihm auf die Tournee gehen, die ich gemacht hätte, wenn ich an seiner Stelle gewonnen hätte, und müsste mit ansehen, wie er meinen Traum lebte – das würde ich nicht aushalten.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Er lächelte. Er wusste es selbst. Er hatte es gewusst, bevor er mich gebeten hatte.
    »Dann lass uns einfach so tun als ob. Warst du schon mal in Argentinien?«, wollte er wissen.
    Ich könnte so tun als ob. »Zweimal. Aber noch nie als Roadie. Dürfte ich deinem Fanclub beitreten?«
    »Du müsstest meinem Fanclub beitreten. Ich glaube, sie suchen noch nach einer Vorsitzenden.«
    »Ach ja? Hat die Vorsitzende denn besondere Privilegien? Ich könnte vielleicht deinen Bogen harzen? Oder deine Geige polieren? Darf ich deine gerissenen Saiten behalten und in mein Jeremy-King-Album einkleben?«
    »Selbstverständlich. Allerdings musst du versprechen, dich gut zu benehmen. Zum Beispiel darfst du nicht meine
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