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Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen

Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen

Titel: Vincent Shadow und seine fabelhaften Erfindungen
Autoren: Tim Kehoe
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dann – bum! – schwebte ein fix und fertiges Spielzeug vor ihm. Das Sky-Spray, der Anti-Flunker-Füller, der Transplantor, der Blubber-Fänger – all seine Einfälle waren Vincent auf diese Weise gekommen. Die Spielzeuge sahen so echt aus, dass er oft versuchte, sie anzufassen, und doch nur ins Leere griff.
    Vincent konnte jedes Haar, jedes Zahnrad, jedes noch so winzige Detail an einer neuen Erfindung erkennen, doch der Rest der Welt versank in diesen Momenten in völliger Dunkelheit, manchmal nur für ein paar Sekunden, manchmal für Stunden.
    Die erste Idee hatte ihn vor drei Jahren an seinem achten Geburtstag angesprungen. Es war die H 2 O-FürImmer, eine Spritzkanone mit eingebautem Luftentfeuchter, der dafür sorgte, dass das Wasser nie ausging.

    Vincent spielte mit seinem Vater Ball im Park, als er Lichtblitze und dann zum ersten Mal in seinem Leben gar nichts mehr sah. Der Ball, den sein Vater gerade geworfen hatte, traf ihn mitten an der Stirn und er ging zu Boden wie ein gefällter Baum. Vincent hörte die Stimme seines Vaters, doch alles, was er erkennen konnte, war eine gigantische blau-silberne Spritzkanone. Das machte ihm schreckliche Angst und seinen Eltern auch, als er ihnen davon erzählte.

    Drei weitere Ideen überfielen ihn in dieser Woche. Es lief immer auf die gleiche Weise ab: grelles Licht, Dunkelheit – und dann eine unglaubliche Spielzeugerfindung. Vincent bekam schnell heraus, dass er seine Erfindungen im Kopf drehen und wenden, ja sogar mit ihnen spielen konnte. Er glaubte, dass er den Verstand verlor. Seine Eltern glaubten, dass er krank war.
    Sie liefen mit ihm von einem Arzt zum nächsten. Alle stupsten hier, stocherten dort und nahmen ihm Blut ab, viel Blut. Und sie stellten ihm Fragen, viele Fragen,
aber keiner der Ärzte hatte auch nur den Schimmer einer Idee, was mit ihm los war.

    Am Vorabend eines weiteren Arztbesuchs kam seine Mutter in sein Zimmer, um ihm einen Gutenachtkuss zu geben, wie sie es jeden Abend tat. Vincent zeichnete gerade in sein Notizbuch, wie er es jeden Abend tat. Aber es waren keine Picassos, van Goghs oder Salvador Dalis, die er malte. Er entwarf Baseballschläger, die auf das Dreifache ihrer Größe anwuchsen, wenn man sie schwang, Pustestäbe, die Geräusche in Seifenblasen einschließen konnten, und Raketen, die hoch in die Luft schossen und sich dort zu Drachen auseinanderfalteten. Seine Mutter fragte ihn nach den Skizzen und Vincent erklärte ihr, dass dies seine Ideen, seine Erfindungen seien.
    In dem Moment begriff Vincents Mutter, dass ihr Sohn eine Gabe hatte. Sie erinnerte sich gelesen zu haben, dass der große Erfinder Nikola Tesla als junger Mann ähnliche Anfälle gehabt hatte.
    Doch Vincent hielt seine Visionen nicht für eine Gabe und fragte sie: »Warum kann ich nicht wie die anderen
sein?« Er wusste, sollten die Kinder in seiner Schule jemals herausfinden, dass er Dinge sah, würden sie ihn für völlig durchgeknallt halten. Deshalb nahm er seiner Mutter das Versprechen ab, niemandem von seinen Erfindungen zu erzählen, nicht mal seinem Vater. Sie gab ihm nicht nur ihr Ehrenwort, sie versprach auch ihm zu helfen, seine Erfindungen zu entwerfen und zu bauen. Von diesem Tag an würden sie so tun, als wären Vincents Aussetzer Migräneanfälle.
     
    In den nächsten sechs Monaten hatte Vincent über zwanzig Ideen. Seine Mutter half ihm bei den Skizzen, und an den Abenden und Wochenenden, an denen Vincents Vater arbeiten musste, richteten sie gemeinsam ein Geheimlabor – inklusive Geheimtür – in der unausgebauten Dachbodenhälfte hinter seinem Schrank ein. Sie statteten das Labor mit allem aus, was sie brauchten, um seine Ideen zum Leben zu erwecken: Hammer, Sägen, Bohrer, Reagenzgläser, Messbecher, Klebstoff, Tesafilm. Seine Mutter installierte sogar ein raffiniertes Alarmsystem, das ihn warnte, sobald jemand die Treppe hochkam. Zehn Monate Arbeit steckten sie in das Labor und dann wurde seine Mutter krank.
    Das war über zwei Jahre her. Seitdem verbrachte Vincent fast jede freie Minute im Labor und arbeitete an seinen Erfindungen. So wie Tesla es immer gemacht hatte – und so wie es sich seine Mutter gewünscht hätte.

7 DER FABELHAFTE MR TESLA
    Als Vincent nach einem kurzen Nickerchen die Augen öffnete, war der Biestie-Ball verschwunden. Er sprang aus dem Bett und schnappte sich die Zeitung, die Stella auf seine Kommode gelegt hatte. Auf der ersten Seite war ein Schwarz-Weiß-Foto von einem sehr jungen Nikola Tesla
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