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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Autoren: Siri Kolu
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eingeklebt waren. Jetzt hob Hele widerwillig den Blick von ihrer Zeitschrift. Sie leckte ihren Zeigefinger an, der nicht sehr sauber war, und begann die Heftseiten umzublättern.
    » Guck bei K«, sagte Hilda und legte auf der schmalen Straße ein erstklassiges Überholmanöver hin. Karlo war entzückt und drückte auf die Hupe. Die schicke Familienkutsche hupte zurück, und der Vater, der am Steuer saß, drohte mit der Faust.
    » Los, die überfallen wir!«, rief Karlo aufgeregt. » Wurfgriffe raus!«
    » Keine Zeit«, sagte Hilda. » Wir haben gerade etwas anderes vor.«
    » Schau, wir machen einen Kiosküberfall!«, tröstete Gold-Piet Karlo. » Das hat irgendwie mehr Glamour. Das Flair der großen Welt!«
    Und so ’n Zeug, fügte ich im Stillen hinzu.
    » K wie Kiosk. Zuerst kommt K wie Kaperfahrten«, sagte Hilda geduldig zu Hele und riss das Steuer herum, sodass wir knapp einem entgegenkommenden Lastwagen ausweichen konnten. Ich kannte niemanden, der so draufgängerisch Auto fuhr. Sie fürchtete keine Lkws, keine scharfen Kurven auf Schotterstraßen, nichts.
    Hele hatte die richtige Stelle im Heft gefunden, blickte kurz aus dem Fenster, um auf den blauen Schildern zu lesen, welches die nächste größere Stadt war, und blätterte weiter. Auf jede Seite war eine Landkarte geklebt, und auf jeder Karte saß an einer Stelle ein kleiner roter Aufkleber, der eine Süßigkeitenbude mit Markise darstellte.
    » Hier!«, sagte Hele. » Zwei Kilometer. So ein Rastplatz für Lkws, keine Häuser drum herum. Und ich hab dich gesehen!« Hele wirbelte zu mir herum. » Du versuchst zu spionieren, Gefangene!«
    » In diesem Bus werden ab-so- LUT keine Schimpfwörter gebraucht, hör sofort auf!«, sagte der Wilde Karlo, nun völlig wach. » Vilja wird uns noch viel Nutzen bringen. Sprich mir nach!«
    » Nee, ab-so- LUT keine Schimpfwörter«, sagte Hele mit sehr gelangweiltem Gesicht, schnappte sich wieder ihre Zeitschrift und erinnerte mich in diesem Augenblick stark an meine Schwester Vanamo. » Ab-so- LUT -tschuldigung.«
    Der Bus wurde, falls das möglich war, noch schneller.
    » Hele ist immer so«, sagte Kalle leise, als er sah, dass sie in die Zeitschrift vertieft war. » Die will, dass alle sich vor ihr fürchten. Wenn sie groß ist, will sie Punksängerin oder Kapitän für so einen Bus hier werden, und in beiden Berufen ist es total wichtig, dass man Furcht erregt.«
    » Was für ein Bus ist das eigentlich?«, fragte ich ihn. Ich wechselte das Thema, weil ich fürchtete, Hele könnte zuhören und noch ärgerlicher werden. » Ich dachte zuerst, es ist ein etwas größerer Kleinlieferwagen – mein Angeber-Onkel hat so einen –, aber hier stehen sich die Sitzbänke ja gegenüber. Total komisch.«
    » Papa hat ihn so umgebaut«, sagte Kalle. » Er weiß alles über Busse und Lieferwagen.«
    Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der zeigte, dass er nicht alles gesagt hatte.
    » Ist das etwa ein Polizeibus?«
    » Nein«, lachte Kalle. » Das wäre cool! Ein kidnappender Polizeibus. Man könnte in Blau draufschreiben: Nappizei.«
    » Das ist ein Mannschaftswagen«, schaltete Gold-Piet sich ein. » Sieben Plätze. Optimaler Spritverbrauch selbst bei voller Beladung. Gute Beschleunigung und so ’n Zeug. Ist vielleicht verboten, ihn so anzupreisen«, sagte er, warf sich in die Brust und spuckte über seine Schulter zur Tür, » aber er ist einfach ein für alle Mal der perfekte Räuberbus.«
    Hilda bog von einer geraden Landstraße mit Wald zu beiden Seiten auf einen kleinen Rastplatz mit Parkplätzen und einem Verkaufsstand ein. Von Nadelwald umgeben, stand der kleine Kiosk ganz allein an der geraden Landstraße. Zwei Schilder, » Erdbeeren« und » Erbsen«, schaukelten im Wind, während ein Junge sich mit den Haken abmühte, an denen sie hingen.
    » Hallo, junger Mann!«, sagte Gold-Piet und stieg aus. » Brauchst du Hilfe?«
    Er lehnte extrem lässig in der Autotür. Piets Ideal war der Gentlemanräuber, der es fertigbrachte, dass alle ihm brav gehorchten und die Frauen ihm noch hinterherseufzten.
    » Wenn Sie mir das abnehmen könnten?«, ächzte der Junge. » Das Schild ist erstaunlich schwer!«
    Ich sah durch die offene Heckklappe des Räuberbusses zu, wie sie die Schilder abnahmen. Vielleicht waren schon alle Erdbeeren und alle Erbsen verkauft. Hele huschte hinter Piet her, um der Sache etwas Dampf zu machen. Die Gentlemanräuberei dauerte einfach zu lange, wenn alle mächtig Hunger auf Süßigkeiten hatten.
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