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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Autoren: Siri Kolu
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im Objekt? Wird sich jemand durch einen Gegenangriff zu verteidigen suchen?
    » Wisst ihr noch, im März, die Frau, die mit dem Regenschirm um sich geschlagen hat?«, sagte Kalle. » Wir hier im Bus sind fürchterlich erschrocken, aber Gold-Piet hat das Ding super geschaukelt.«
    » Kofferraum«, sagte Hele nickend.
    » Hinterher sind wir zum nächsten Kiosk gefahren und haben angedeutet, da wär wohl eine Dame in ihrem Auto in die Klemme geraten«, sagte Gold-Piet. » Kaum jemand weiß, dass wir trotz allem ganz gutherzig sind.«
    9) Durchhaltevermögen
    Die Räuberei besteht zum größten Teil aus Warten, auch wenn man darüber nicht viel spricht. Man wartet auf das richtige Objekt und den richtigen Moment zum Überholen. Man wartet, bis die matschigste Jahreszeit vorbeigeht und man auf den kleinen Wegen wieder fahren kann. Ohne Durchhaltevermögen hätte ein Räuber höchstens zwei Wochen lang Kraft zum Rauben.
    » Der Winter«, sagte Hilda, blickte versonnen durch die Frontscheibe und schien in ihrem ärmellosen Top zu zittern. » Irgendwann, wenn es sich ergibt, kann dir jemand von uns Gruselgeschichten über den Winter erzählen.«
    10) Eigensinn und Eigeninitiative
    Räuberei ist die Übertragung überzähligen Eigentums vom Objekt auf sich selbst. Ist ein Räuber nicht eigensinnig, gelingt es ihm nicht, dies durchzuführen.
    » Boss, das ist gemogelt!«, sagte Hele. » Das sind zwei Eigenschaften auf einmal. Sie müssten die Nummern zehn und elf haben.«
    » Da seht ihr’s ja«, sagte der Wilde Karlo stolz. » Nichts, was ich sage, kommt bei Hele an. Wenn sie größer ist, wird sie ein ausgezeichneter Kommandant!«
    Ich sah, wie Hele ihr übliches Hailächeln lächelte, aber ich sah auch, wie Kalle in sich zusammensank. Hilda musste den Wilden Karlo zweimal mit dem Ellenbogen anstoßen, bevor er begriff und weitersprach: » Ja, und Kalle. Er wird schon bald ein richtiger Gentlemanräuber sein, denn er hat Herz und das Flair der großen Welt!«
    Da lächelte Kalle, insgeheim und fast unmerklich.
    Nach der Theorie waren die praktischen Übungen an der Reihe. Im Laufe von zwei Tagen griffen wir trainingshalber fünf Autos ab, damit ich lernte, worum es bei der Straßenräuberei ganz konkret ging. Ich sah, wie ein kleiner Fiat fast in den Straßengraben gedrängt und ausgeraubt wurde. Die Beute waren sechs riesige frisch geklopfte Steaks, eine Menge Erdbeeren und die neueste Nummer der National Geographic für den Wilden Karlo. Ich sah, welche Drohgesten nötig waren, um bei einem Toyota den Kofferraum aufzukriegen, wo dann die Kühlboxen zu finden waren. Beute: zwei neue Luftmatratzen, ein Paar Schwimmflossen, Eistüten und, zu Gold-Piets großer Freude, ein Kartenspiel. Ich sah einen nagelneuen Nissan Primera beinahe in ein Getreidefeld rasen, weil der Fahrer so erschrocken vor uns war. Beute: zwei Tafeln Schokolade und die von Hilda gewünschte Sonnencreme. Ich sah einen Überfall auf einen Geländewagen, dessen Familienvater nervös werden wollte, was Gold-Piet aber mit einem Sprung auf die Motorhaube wirksam verhinderte. Beute: zwei neue Barbiepuppen und ein Elektronikspiel. Ich sah ein Beispiel für eine Frontalannäherung, bei der eine gereizte Dame mittleren Alters, die einen funkelnagelneuen Citroën fuhr, das elektrische Fenster herunterschnurren ließ: » Was ist los?« Erbärmliche Beute: Erbsen, Gurken, etwas Fisch. Der Speisezettel einer Frau auf Diät ist nicht wirklich etwas für Räuber.
    Nach dem fünften Wagen wusste ich allmählich, womit ich zu rechnen hatte. Ich konnte mich im richtigen Moment, kurz bevor Hilda Gas gab, am Sitz festklammern. Ich konnte schon im Chor mit Hilda den Countdown durchgehen:
    » Parken – jetzt. Kontakt – jetzt. Fünf – vier – drei – zwei – Griffe fertig – Griffe!«
    Dann schwankte der Bus, wenn Gold-Piet und der Wilde Karlo auf beiden Seiten heraussprangen. Ein neuer Überfall war im Gange.
    Zwischen den Überfällen führten sie lange und hitzige Diskussionen darüber, welche Automarke als Raubobjekt am besten war. Alle versuchten, mich auf ihre Seite zu ziehen, was jedes Mal in heftigen Streit mündete.
    » Ich glaube nicht, dass ich eine Meinung haben darf«, sagte ich gequält. » Schließlich bin ich eure Gefangene.«
    » Nicht doch«, sagte der Wilde Karlo. » Du bist vor allen Dingen die erste Gefangene in der Geschichte der finnischen Straßenräuberei! Das ist die beste Erfindung seit den Wurfgriffen. Du – du bist ein Pionier!«, sagte er
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