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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Autoren: Siri Kolu
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verwenden, wenn man richtig Hunger hatte.
    » Iss, Mädchen, das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages! Nicht wahr, Kalle?«, sagte der Wilde Karlo schelmisch und boxte seinen Sohn in die Seite. Der hatte gerade eine gewaltige Ecke von seiner Fleischpirogge abgebissen, auf die er fast genauso viel Aufschnitt gestapelt hatte wie sein Vater aufs Knäckebrot. Er bekam einen Hustenanfall, und der Wilde Karlo klopfte ihm hilfsbereit auf den Rücken.
    » Wurstalarm!«, rief Hele und rückte ein Stück weg. Auch ich ging ein paar Schritte zur Seite, denn für einen Moment war die Luft tatsächlich mit Wurstfetzen gesättigt, während Kalle hustete.
    » Das macht er jedes Mal, wenn es Wurst gibt«, sagte Hele verächtlich. » Du Gierferkel! Du verträgst kein Männeressen!«
    » Ich bin kein Ferkel«, sagte Kalle.
    » Ein Räuber bist du jedenfalls auch nicht«, erwiderte Hele gnadenlos.
    Ich dachte kurz an zu Hause und die Stille an unserem Frühstückstisch. Wie todlangweilig es war, wenn meine Eltern beim Essen jeweils einen Teil der Zeitung lasen, während Vanamo SMS tippte und den Rhythmus von ihrem iPod mittrommelte. Wir hatten uns nichts zu sagen.
    Als die Luft wieder klar war, sah ich meine Gelegenheit gekommen. » Dabei fällt mir ein: Wann wolltet ihr mich nach Hause bringen?«, fragte ich unschuldig.
    » Möchtest du Eier?«, fragte Hilda mich. Ohne auf eine Antwort zu warten, häufte sie einen Berg Essen auf einen Teller, den sie vor mir auf den Klapptisch knallte.
    » Habt ihr gehört?«, insistierte ich.
    Wie zufällig bewegte Gold-Piet seinen Arm, sodass ich plötzlich auf einem Campingstuhl saß. » Nimm schon!«, sagte er. » Damit niemand beleidigt ist und so ’n Zeug. Frau Hildas Spiegeleier sind weltberühmt.«
    » Warum hört hier, verflixt noch mal, niemand zu, was ich sage?« Zu Hause konnte ich mit einer guten Begründung meistens meinen Willen durchsetzen. Hier aber schmatzten alle ihr Frühstück in sich hinein, als hätten sie mich gar nicht gehört.
    » Weil in dieser Familie vor dem Frühstück keine Entscheidungen getroffen werden«, knurrte der Wilde Karlo. » Darum. Das Frühstück ist die ab-so- LUT wichtigste Mahlzeit des Tages.«
    » Papa hat noch nicht …«, begann Kalle.
    » Was?«, jaulte der Wilde Karlo auf.
    » Seine räuberhauptmännliche Hoheit Wilder Karlo tut nichts, bevor er nicht das erste Senfbrot des Tages gegessen hat.«
    Der Wilde Karlo hatte den Mund voller Knäcke, aber er spannte den Bizeps und klopfte sich dann tarzanmäßig auf die Brust.
    » Das ist übrigens heilig, dieses erste Brot«, sagte Hilda und schnappte sich das oberste Fleischklößchen vom Fleischklößchenberg. » Das einzige Mal, dass wir beinahe geschnappt wurden, war an dem Tag, als wir nicht richtig gefrühstückt hatten.«
    » Beschwör es nicht!«, schrie Hele und spuckte sich über die Schulter.
    Im selben Augenblick hörte die ganze Familie auf zu essen, und alle spuckten sich über die Schulter. Danach aßen sie weiter, als wäre nichts geschehen. Ich starrte nur.
    » Iss jetzt«, sagte Hilda zu mir. » Bald fahren wir wieder los.«
    » Ich soll mit den Händen essen?«, jammerte ich. » Igitt, niemals!«
    Mich ekelte vor den sauren Gurken, die aus Kalles Mundwinkel hervorquollen, und vor den Mampfgeräuschen bei Karlos gewaltigen Bissen, aber mein Hunger war inzwischen so groß, dass mir schwindlig wurde. Ich suchte den Tisch nach Servietten oder einem Stück Küchenpapier ab. So etwas gab es nicht. Nicht mal Toilettenpapier. Als Gold-Piet das Mineralwasser, das sie meiner Mama geraubt hatten, direkt aus der Flasche trank, wurde mir klar, dass es keinen Sinn hatte. Ich seufzte, nahm mir mit den Fingerspitzen eine Fleischpirogge, legte zwei Fleischklößchen hinein und quetschte nach kurzer Überlegung einen Streifen Tubensenf darüber. Dann setzte ich mich auf meinen Stuhl, zählte bis drei wie auf dem Sprungbrett und biss ab.
    » Aah!«, sagte ich.
    Ich konnte nichts dagegen tun. Ich griff nach der Tube und nahm mehr Senf, schnappte mir noch zwei Klößchen, obwohl ich fürchtete, gierig zu erscheinen. Dann sah ich, dass auf Kalles Brot noch zehn Fleischklößchen mehr lagen, und beschloss, dass man hier, jedenfalls heute mal, nach Räuberart essen durfte. Noch nie hatte ich so etwas Gutes gegessen.
    » Na siehst du, sie hatte nur Hunger!«, sagte Hilda zum Wilden Karlo. » Schmeckt’s?«, fragte sie mich.
    Ich nickte, hatte aber keine Zeit zu antworten, denn ich war mit Essen
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