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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Autoren: Siri Kolu
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mit zwei Goldzähnen. » Wenn dein Vater sagt, dass du so weit bist, dann bist du so weit.«
    » Na klasse«, sagte Kalle. » Da kann ich warten, bis er in Rente geht!«
    Der Wilde Karlo schwang sich am Wurfgriff direkt vor Kalles Nase. » Hör zu, du Knirps. Ich gehe ab-so- LUT nicht in Rente. Sprich mir nach!«
    Der neunjährige Kalle hatte gleichzeitig Angst und musste lachen. » Du gehst ab-so- LUT nicht in Rente. Niemals. Okay, okay!«
    » Ich bin furchterregend, aerodynamisch und durchtrainiert wie Stahl!«
    Mama Hilda steuerte den Räuberbus elegant in die Nähe unseres BMW , warf ihn herum, sodass er quer auf der Straße stand, und begann den Kontakt-Countdown. Der Countdown war wichtig, damit alle gleichzeitig agieren konnten.
    » Parken – jetzt. Kontakt – jetzt. Fünf – vier – drei – zwei – Griffe – fertig. Griffe!«
    Während des Countdowns geschah Folgendes: Bei » Parken« kreischten die Bremsen, die Geschwindigkeit sackte auf null, der Wagen schwankte bei dem abrupten Stopp. Bei » Kontakt« wurden die Vordertüren scheppernd aufgerissen. Während des Zählens verschafften sich der Wilde Karlo und Gold-Piet an den Türen sicheren Stand und konzentrierten sich darauf, sich, in den Griffen hängend, kräftig abzustoßen und mit einem ausladenden Sprung direkt vor dem Objekt zu landen, und zwar genau in dem Moment, wenn das Kommando » Griffe!« ertönte. » Lasst keine Zeugen zurück!«, schrie Hele noch, während der Wilde Karlo und Gold-Piet sich an den Griffen aus dem Räuberbus in die optimale Überfallposition schleuderten.
    Direkt vor unsere Nase.
    Es war schnell vorbei. Vanamo glaubte, es sei Reality- TV und war ziemlich enttäuscht, als der Wilde Karlo sich die Bonbontüte und mich vom Rücksitz schnappte.
    » He, nehmen Sie nicht Vilja, ich bin viel, viel besser als Kandidatin!«
    Alles ging so fix, ich konnte nichts dagegen machen. Immerhin ergriff ich, als die große haarige Hand sich näherte, den einzigen Gegenstand, der Bedeutung für mich hatte: mein rosa Notizbuch, ohne das ich nirgends hinging.
    Während des Überfalls gab es keinerlei Widerstand. Blitzschnell wurde unser Auto leergegrabscht. Papa war wahrscheinlich nervös, es könnte Kratzer abkriegen. Dann verlöre er den Bonus bei der Versicherung. Als der Bus der Räuberbergs davongerast war, wird es eine Weile gedauert haben, bis meine Familie kapierte, dass ich gar nicht mehr dabei war.
    » Na also!«, sagte der Wilde Karlo zufrieden, als er sich mit seiner Beute zurück in den Kleinbus geschwungen hatte.
    Das Schwingen am Griff rumorte unangenehm im Magen. Fahrgeschäfte im Vergnügungspark fand ich auch noch nie gut.
    » Griffe einziehen – jetzt!«, kommandierte Hilda. » Türen – jetzt!« Zwei Knalle. » Gas – jetzt!«
    Mit gewaltig durchdrehenden Reifen fuhr der Räuberbus an. Erst als er sich in Bewegung gesetzt hatte, begriff ich so richtig, dass ich im falschen Wagen saß und auf einer Reise ins Ungewisse war.
    » Lakritzautos, liebe Räuber und Raubgenossen«, rief Gold-Piet und warf die Tüte auf die Rückbank. » Hier hat jemand guten Geschmack bei Süßkram!«
    Ich versuchte zu kratzen und zu schreien, als ich auf den Rücksitz gesetzt wurde. Wer geraubt wird, muss ja wohl wenigstens ein bisschen protestieren. Ich wurde aber nicht beachtet. Alle befingerten prüfend die Beute: Vanamos, Papas, Mamas und meine Sachen. Darunter waren Papas Shorts mit den Seitentaschen und sein eselsohriges Handbuch über die Waldbeeren Finnlands. Mamas Lieblingsbikini hatte Hilda gleich mal anprobiert. Vanamos Glitzerlack und Nagelaufkleber befand Hele für nützlich und stopfte sie in ihr Schubfach. Dann wurde Mamas Reiseapotheke inspiziert, die alles enthielt, von Cortisonsalbe bis zu Augencreme. Arme Mama, ohne Cortisonsalbe würde sie von den Mückenstichen entsetzliche Beulen bekommen. Von mir war fast nichts geraubt worden. Nur mein grauer Fleece-Kapuzenpulli, den wir für kalte Abende mitgenommen hatten und der sich jetzt als passend für Kalle erwies.
    » Hallo«, versuchte ich auf mich aufmerksam zu machen.
    Nur der Junge in meinem Alter betrachtete mich neugierig. Er legte den Pulli beiseite, als hätte er Schuldgefühle wegen der Beute. Ich versuchte so zu gucken, als wäre mir das total egal.
    » He, hört doch mal!« Meine Stimme war ein winzig kleines Piepsen in meinem Kehlkopf.
    Der Räuberbus schlingerte noch mehr, als Mama Hilda jetzt versuchte, bei Vollgas nach hinten zu schauen anstatt nach vorn.
    »
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