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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Autoren: Jesper Juul
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er nur gehorchen soll.
    Hinzu kommt – worin Sie völlig recht haben –, dass er noch zu jung ist, um dieses Erlebnis auf eine Art und Weise zu begreifen und einzuordnen, die seine persönliche und soziale Kompetenz erhöht.
    Ihr Unbehagen dieser Situation gegenüber hat also nicht nur sentimentale Ursachen, sondern ist eine natürliche Reaktion auf den unnötigen Kummer, der Ihrem Enkel zugefügt wird.
    Ihr Sohn und Ihre Schwiegertochter sind davon überzeugt, dass es wichtig ist, konsequent zu sein. Also: »Wenn Papa Ja sagt, sagt Mama auch Ja«, und beide halten auch eine Stunde oder eine Woche später an diesem Ja fest. Doch ist es wirklich wichtig für Kinder, dass ihre Eltern auf diese Weise einig oder konsequent sind?
    Die Antwort lautet Nein. Es ist wichtig, dass Eltern sich ihre Meinung nicht von Kindern, Schwiegermüttern oder Leitartikelschreibern diktieren lassen und willens sind, sich die nötige Zeit für Reflexion und Dialog oder andere Aktivitäten zu nehmen, die Eltern innere Sicherheit geben. Ihre Beschreibung der vielen Qualitäten Ihres Enkels deutet darauf hin, das Ihr Sohn und seine Frau ihrem Kind sehr viel mehr und Besseres anzubieten haben als dieses eingeübte Verhaltensmuster. Also hoffe ich, dass sie selbst eines Tages entdecken werden, was für einen prachtvollen Sohn sie haben.
    Ohne etwas über Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn und Ihrer Schwiegertochter zu wissen, glaube ich, dass Sie in dieser Hinsicht auf die Vorzüge Ihres Alters, Ihrer Erfahrung und Flexibilität setzen können. Lehnen Sie sich also in Ruhe zurück und lassen Sie den Dingen ihren Lauf. Solange die Eltern das Kreuz ihrer eigenen Konsequenzgläubigkeit tragen wollen, sollten Sie sich meiner Meinung nach besser nicht einmischen.
    Lassen Sie Ihr Enkelkind hingegen so oft wie möglich in den Genuss Ihrer Gelassenheit kommen, wenn die Eltern nicht anwesend sind.
    Als Großvater kann ich gut verstehen, dass Sie emotional auf der Seite Ihres Enkels stehen. Da aber von einer Vernachlässigung der Fürsorgepflicht nicht im Entferntesten die Rede sein kann, möchte ich vorschlagen, dass Sie emotional Ihrem Sohn die Stange halten. Denken Sie nur an all die überschäumende Freude und spontanen Liebesbekundungen, die ihm entgehen, weil er so sehr damit beschäftigt ist, den Erzieher zu spielen. Er muss alles, was er wahrnimmt, erst durch seinen aufgesetzten pädagogischen Filter laufen lassen, und auf diese Weise schafft er zwischen sich und seinem Kind eine unnötige Distanz. Das ist traurig für ihn, und vielleicht gelingt es Ihnen ja, ein wenig von diesem Gedankengut in seinen viel beschäftigten Papa-Kopf hineinzuschmuggeln.
    Anders ausgedrückt: Die Beziehung zu Ihrem Enkel ist vermutlich weitaus weniger erschütterbar als die Beziehung zu Ihrem eigenen Sohn und seiner Partnerin, und auch auf diese sollten Sie achtgeben. Ihr Enkel ist in keiner Weise in Gefahr, und sollte er Sie eines Tages vorwurfsvoll ansehen und fragen, warum Sie nicht eingegriffen haben, wenn seine Eltern kompromisslos und ungerecht waren, dann können Sie reinen Gewissens antworten:
    »Weil mir die Beziehung zu deinem Vater so wichtig war, und weil ich wusste, dass du schon zurechtkommst.«

Eine weitere Frau, die »zu sehr liebt«

    Das bin ich: eine Frau, 36, geschieden, Single, drei tolle Kinder im Alter von 10, 8 und 4 Jahren, Lehrerin mit Vollzeitstelle.
    Als mein Exmann und ich uns kennenlernten, war er 22 und ich 21 Jahre alt. Wir waren 14 Jahre zusammen.
    Unsere Beziehung war fast in all den Jahren von einem mangelnden Respekt mir gegenüber geprägt. In den Zeiten, in denen ich es am meisten gebraucht hätte (während der Schwangerschaften und im Wochenbett), hat er nur wenig Liebe und Fürsorge gezeigt. Entwürdigender war es jedoch, dass die Kinder und ich bei ihm nie die erste Priorität hatten. Wenn ich krank im Bett lag, hatte er keine Lust, mir Medizin aus der Apotheke zu holen. Ganz zu schweigen von seinen geringschätzigen Blicken und seiner Art, mit mir zu reden.
    Natürlich hatten wir auch viele schöne Erlebnisse zusammen, doch er dachte stets hauptsächlich an sich und seine Karriere. Er nahm es als Selbstverständlichkeit, dass seine Freunde, Interessen oder Feste jederzeit Vorrang hatten. Ich war ja sowieso zu Hause. Hingegen musste ich mit Engelszungen auf ihn einreden, wenn ich einmal etwas anderes vorhatte. Mein Nein wurde oft nicht gehört oder respektiert.
    Er kontrollierte mich und hielt mich »am Boden«, indem er mich
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