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Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen

Titel: Vier Werte, die Kinder ein Leben lang tragen
Autoren: Jesper Juul
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auszusprechen, sagen Sie etwas Harmloses oder gar nichts. Damit sind Sie nicht authentisch und verwirren besonders Ihre Älteste, die nie genau weiß, woran sie ist. Von sich selbst zu erzählen ist ja etwas anderes, als über den Exmann herzuziehen. Auf diese Art erfahren Ihre Kinder, »wer« Sie sind, und ich kann Ihnen versichern, dass sie sich genau danach sehnen.
    Das ist zugleich der Schlüssel für Ihr zukünftiges Verhältnis zueinander.
    Dasselbe gilt für Ihre Gespräche bei der Familienberatung. Sagen Sie die Wahrheit über sich selbst, ehe Sie die Gespräche eventuell einstellen. Verabschieden Sie sich von der Strategie, sich selbst treu bleiben zu wollen, und finden Sie sich nicht mit den Manipulationen Ihres Exmanns ab, was den Umgang mir Ihren Kindern angeht. Eine Zeit lang werden Sie sich vielleicht egoistisch vorkommen, doch angesichts Ihrer Geschichte sollten Sie dies als Zeichen betrachten, dass Sie auf dem richtigen Weg sind. Und wenn andere Sie so nennen – durchaus als Kompliment.
    Ansonsten empfehle ich Ihnen das Buch Wenn Frauen zu sehr lieben von Robin Norwood (siehe Bücher > ). Es hat Tausenden von Frauen dabei geholfen, mehr Selbstrespekt zu entwickeln.

Die Eltern in der Defensive
    Vor einiger Zeit saß ich mit einer Journalistin der italienischen Zeitung La Repubblica in einem Restaurant in Mailand. Wir hatten soeben eine Pressekonferenz in der großen, schönen Buchhandlung Feltrinelli hinter uns gebracht, und nun war es an der Zeit, etwas zu essen und ein eingehendes Interview zu den Werten der Familie zu führen.
    Es dauerte nur wenige Minuten, bis eine kleine Familie hereinkam, bestehend aus Mutter, Vater, Großmutter und einem 3-jährigen Jungen, und sich am Nachbartisch niederließ. Im Folgenden entwickelte sich dort ein Drama in mehreren Akten, als hätte ich es in Auftrag gegeben, um die erste Frage der Journalistin zu beantworten. Sie lautete folgendermaßen: »Was ist der häufigste Fehler, den junge Eltern heutzutage in Europa machen?« Eine klassische Journalistenfrage, die natürlich unmöglich zu beantworten ist. Deshalb war mir die Familie am Nebentisch eine große Hilfe.
    Das Ganze beginnt damit, dass die Eltern den jungen Mann im chor fragen, wo er sitzen wolle. Er entscheidet sich für den Platz neben seiner Mutter, beginnt aber schon bald in einem disharmonischen Tonfall zu jammern und zu klagen. Der Vater versucht, seinen Sohn mit großen Gebärden und lustigen Grimassen aufzuheitern, und zaubert schließlich ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche hervor. »Na, was ist das wohl?«, fragt er seinen Sohn, der statt zu antworten vom Stuhl hüpft und ihm das Päckchen aus der Hand reißt. Da er Probleme hat, den Gegenstand vom Geschenkpapier zu befreien, werden seine Klagelaute immer schriller. Der Vater bietet seine Hilfe an, wird jedoch abgewiesen, und auf einmal hört sich der Junge so an, als sei er mit etwas Hartem geschlagen worden.
    Der Inhalt des Päckchens erweist sich als kleines elektronisches Spiel, das die Eltern in der Hoffnung auf ein ruhiges Mittagessen gekauft haben. Der Vater erklärt seinem Sohn, er müsse zunächst die Batterien einsetzen, damit das Spielzeug funktioniert, aber der Junge will davon nichts wissen, sondern beklagt sich lautstark darüber, dass das Gerät nicht funktioniert. So vergehen die ersten zwanzig Minuten, in denen der Kellner ein ums andere Mal gebeten wird zu warten, weil bisher keiner die Zeit gefunden hat, sich mit der Speisekarte zu beschäftigen. Alle Erwachsenen sehen den Jungen eindringlich an und reden auf ihn ein, um ihn zur Ruhe zu bringen.
    Endlich setzt sich der Junge auf den Schoß seines Vaters und will sich das Spiel beibringen lassen, lässt seiner Frustration aber immer wieder freien Lauf. Ehe die Erwachsenen sich entscheiden können, was sie essen wollen, versuchen sie aus dem Jungen herauszubekommen, was er essen möchte – ohne Erfolg. Sie unterbreiten ihm verschiedene Vorschläge, die allesamt abgelehnt werden. Schließlich scheint es der Mutter zu gelingen, ihren Sohn davon zu überzeugen, dass er ein großer Liebhaber von »Gnocchi mit Tomatensauce« ist.
    Als das Essen auf den Tisch gestellt wird, greift der Vater sofort zur Gabel seines Sohnes und versucht, ihm ein paar Gnocchi in den Mund zu schieben. Der Junge heult auf, weil das Essen zu heiß ist, worauf die beiden Frauen auf der anderen Seite des Tisches den Vater mit Ratschlägen und Vorwürfen überhäufen. Mit der Stimmung steht es nicht
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