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Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz

Titel: Vertrauen statt Dominanz - Wendt, M: Vertrauen statt Dominanz
Autoren: Marlitt Wendt
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generalisierten Aggressionen führen. Das Pferd kann zu einem Nervenbündel werden, das kein Vertrauen mehr zu sich selbst hat. Da die Pferde ja immer ihre gesamte Umgebung wahrnehmen und auch mit dem dargebotenen Reiz verbinden, lernt ein Pferd, an dem Reizüberflutungen praktiziert werden, letztlich den Menschen zu fürchten oder in ganz bestimmten Situationen zu meiden -eine schlechte Voraussetzung für ein partnerschaftliches Miteinander.
    Die schlimmsten Risiken werden meist aus Unwissenheit verschwiegen. Bei der Methode der Reizüberflutung muss sichergestellt werden, dass das Pferd vor dem Reiz nicht fliehen kann, das heißt, es müsste fixiert werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die meisten Trainer das Pferd beim ersten Satteln in einen sehr hoch eingezäunten Platz wie ein Round Pen einsperren, den die Pferde in der Regel nicht verlassen können. Das bedeutet aber nicht, dass sie es nicht versuchen würden. Je nach Temperament versuchen sie, Zäune in Panik zu überspringen oder zu durchbrechen. Sie werden damit auch für die anwesenden Menschen zur unkontrollierbaren Gefahr. Ein in Panik geratenes Pferd ist extrem schmerzunempfindlich, es wird auch schlimme Verletzungen in Kauf nehmen, um dem Reiz zu entfliehen.
    Abgesehen von den unkalkulierbaren Risiken, die diese Methode kennzeichnen, halte ich sie auch für moralisch untragbar. Man sollte ein Tier nicht wissentlich in Panik versetzen. Es gibt intelligentere und tierfreundlichere Methoden, ein Pferd zu trainieren. Lassen Sie niemanden Ihr Tier in Angst und Schrecken versetzen, nur um es an den Sattel oder den Pferdeanhänger zu gewöhnen. Pferde können sich nicht freiwillig der Konfrontation stellen und den Sinn dahinter erkennen, daher sind wir es unseren Pferden schuldig, uns auch um ihre psychischen Grundbedürfnisse zu kümmern.
    Ein positiver Weg der Sattelgewöhnung wäre beispielsweise, wenn schon das Jungpferd beim Fressen den noch unbekannten Sattel auf einem Sattelbock in der Nähe sehen kann. So lernt es den Anblick des Sattels als völlig normal kennen. Nach und nach tragen wir den Sattel etwas herum, klingeln mit dem Sattelgurt oder legen spielerisch die Satteldecke auf. Erst wenn das Pferd die Satteldecke akzeptiert, kann der Sattel aufgelegt werden, zunächst ohne den Sattelgurt zu schließen. Nach und nach ziehen wir den Gurt an und belohnen unser Pferd für das ruhige Stehenbleiben. In den folgenden Wochen und Monaten kann der Sattel zum selbstverständlichen Begleiter auf Spaziergängen und bei der Bodenarbeit werden, bevor wir dann zum eigentlichen Anreiten übergehen.
    Um ein Pferd zu einem verlässlichen Freizeitpartner zu erziehen, mit dem man problemlos Ausritte genießen kann, sollte an der allgemeinen Gelassenheit gearbeitet werden. Das Pferd kann sich sowohl vor ungewohnten Gegenständen als auch vor Geräuschen oder anderen Tieren erschrecken. Kurz gesagt: Das Fremde macht ihm Angst. Da man auf einem Ausritt auf eine Vielzahl ungewohnter Reize treffen kann, sollte man sein Pferd schon in der gewohnten Umgebung an diese Reize gewöhnen.
    Um das Verhältnis des Pferdes zu angstauslösenden Gegenständen wie Regenschirmen, Planen oder auch Mülltüten zu verbessern, führen wir eine sogenannte systematische Desensibilisierung mit Gegenkonditionierung durch. Zunächst wird das Pferd in entspanntem Zustand nach und nach an den Anblick der Gegenstände gewöhnt (desensibilisiert) und der Abstand zu ihnen wird allmählich verringert. Das unerwünschte Verhalten des Pferdes, wie etwa Herumzappeln oder auch Schnappen, wird dabei mittels gezielten Belohnens durch erwünschtes ruhiges Verhalten ersetzt. Dieses Umwandeln einer bisher negativ besetzten Situation in eine positiv besetzte nennt man in der Lernpsychologie Gegenkonditionierung. Als günstiger Effekt wird bei der systematischen Desensibilisierung die für das Pferd negativ besetzte Situation („Ich habe Angst, da flattern bunte Monster") durch das Belohnen zu einer angenehmen („Toll, die bunten Dinger kenne ich, dann bekomme ich Leckerlis, da gehe ich gerne hin"). Bei der systematischen Desensibilisierung baut man die Übungen stets so auf, dass das Pferd die Situation noch als angenehm empfindet und ruhig bleiben kann. Das ist ganz wichtig, damit es gar nicht erst zu einer unerwünschten Reaktion kommt, denn sonst könnte sich das Verhaltensmuster weiter verstärken. Daher sollte der Abstand zu den Gegenständen beim Üben immer so groß sein, dass man stets unterhalb
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