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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Schreibtisch stammen.
    »Johannishagener Nickerchen«, sagte er. »Ich dachte mir, ich nehme den alten Namen für den Exportwein. Meint ihr, es hätte jemand was dagegen?«
    Marie-Luise betrachtete die eingebrannten Buchstaben. »Das klingt nett. Nein, ich glaube nicht. Hast du denn schon genug?«
    »Ohne Ende. Ich würde ihn auch endlich gerne verkaufen. Wenn Wendel einschlägt und investiert, dann …« Jacek hob den Kopf.
    Er hatte es früher gehört als wir. Ein Auto näherte sich der Siedlung, parkte, Türen klappten auf und zu. Dann erklangen schnelle, leichte Schritte und Zuzannas Ruf: »Ali! Nein! Warte auf mich. Du musst erst klopfen!«
    Zu spät. Das Getrappel jagte durch das leere Wohnzimmer, ein Blecheimer fiel um, eine Plastikplane zerriss, und schon lugte der zerzauste Lockenkopf eines Kindes um die Ecke. Es mochte vielleicht drei Jahre alt sein und musterte uns neugierig aus kugelrunden haselnussbraunen Augen.
    »Ali!« Zuzanna tauchte auf, etwas außer Atem. »Entschuldigen Sie bitte. Sie wollte mich partout nicht alleine losfahren lassen. Wir bleiben auch nicht lange.«
    »Kein Problem«, sagte Jacek. »Das Essen ist gleich fertig. Wer bist du denn?«
    »Alicja«, nuschelte das Mädchen und klammerte sich in einem plötzlichen Anfall von Schüchternheit an Zuzannas Jeans.
    »Alicja«, wiederholte Jacek. »Ich habe nicht genug Stühle. Komm mit. Wir müssen uns etwas suchen, auf dem ihr sitzen könnt. Vielleicht einen Baumstamm oder eine Weinkiste. Einen alten Reifen. Hilfst du mir?«
    Das Mädchen blickte fragend hoch zu seiner Mutter.
    »Geh schon«, sagte sie lächelnd.
    Wenn ich mich nicht irrte, wurde sie ein wenig rot.
    Jacek streckte seine Pranke aus, doch er war zu groß und das Mädchen zu klein. Also hob er sie mit beiden Armen hoch und hielt sie wie eine Kriegsbeute über den Kopf. Alicja quiekte vor Vergnügen. Dann ließ er sie wieder hinunter und setzte sie auf seinen Unterarm.
    »Wir sind dann mal Stühle jagen«, sagte er und verschwand.
    Zuzanna nahm verlegen Platz. »Darf ich?«
    »Aber ja!«, sagte Marie-Luise hastig.
    Sie war von Jaceks Verwandlung genauso irritiert wie ich. Ich hatte ihn noch nie mit Kindern gesehen, und offenbar kam er mit ihnen gut klar. Oder sie mit ihm. Die Entwicklungen zwischen ihm und Zuzanna galoppierten wohl gerade allen Beteiligten davon. Die beiden mochten sich. Das konnte sogar ein Blinder erkennen.
    »Und?«, fragte sie. »Wird es im Fall von Krystyna Nowak und Helmfried Hagen Ermittlungen geben?«
    »Ja. Zunächst muss die Exhumierung von Helmfried Hagen beantragt werden. Die Obduktion wird vermutlich ergeben, dass bei seinem Tod nachgeholfen wurde. Auch Krystyna Nowak muss noch einmal untersucht werden. Ich bin mir sicher, dass es Spuren eines Verbrechens geben wird. Abwehrverletzungen oder Ähnliches. Was ist mit Marek?«
    »Er wird morgen verlegt. Er ist keine Gefahr für die Allgemeinheit. Schon gar nicht, seit herausgekommen ist, was ihn so quält. Aber es ist nicht gewiss, ob er jemals hierher zurückkehrt. Sagen Sie es Jacek bitte noch nicht. Ich versuche alles, was möglich ist.«
    Sie gab uns eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse in der Klinik. Als sie zu Ende war, hörten wir, wie Jacek mit Alicja zurückkehrte.
    »Hagen ist vor Mareks Augen hier auf dem Hof erschossen worden?«, fragte Marie-Luise leise.
    Zuzanna nickte hastig. »Seine Leiche wurde irgendwo auf dem Friedhof in einem geöffneten Grab verscharrt. Das ist unvorstellbar. Der Junge musste direkt nebenan damit weiterleben.«
    »Und dann sagt ihm dieser Repatriierungstyp auch noch, sie würden immer wieder kommen und nie Ruhe geben? Da würde ich auch durchdrehen.«
    »Ja.« Zuzanna wandte sich um. »Hallo! Du lieber Himmel!«
    Jacek rollte einen alten Reifen durchs Wohnzimmer. Dabei tat er so, als ob der Reifen ständig in eine andere Richtung wollte als er. Alicja sprang um ihn herum und schüttete sich aus vor Lachen. Endlich hatten sie ihn in die Küche bugsiert. Er streifte seine Jacke ab und legte sie auf den Reifen.
    »Bitte sehr. Ein Thron für die Prinzessin.«
    Freudestrahlend setzte sie sich. Zwar reichte ihr Kopf nur bis zu unseren Knien, und Platz gab es jetzt gar keinen mehr, aber das war egal. Jacek schnitt den Braten im Spülbecken auf, Zuzanna schenkte Wein ein – aus der Johannishagener Nickerchen-Lage, wie Jacek betonte. Die beiden ergänzten sich großartig. Zwischendurch wuselte Alicja unter dem Tisch herum, und nachdem sie auf den Schoß ihrer Mutter
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