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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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mehr als früher.
    Die Sparquote in Deutschland war schon vorher eine der höchsten der Welt.
    Das stimmt, aber sie ist noch einmal gestiegen, weil niemand so recht weiß, was ihm die Zukunft bringen wird, ob zum Beispiel der eigene Job sicher ist. In Amerika ist die Besorgnis zwar noch viel größer, sie hat aber nicht zu einem Anstieg der Sparrate geführt, weil die Amerikaner gar nicht mehr sparen können. Sie müssen erst einmal ihre Schulden zurückzahlen. Aber die Weltwirtschaftskrise hat sich Gott sei Dank nicht zu einer Weltdepression entwickelt.
    Was Sie selbst befürchtet hatten!
    Ja, was ich Ende Oktober und auch im November des Jahres 2008 noch befürchtet habe. Das ist vermieden worden, weil sämtliche Regierungen der großen Staaten – ob kommunistisch, postkommunistisch oder kapitalistisch – dasselbe gemacht haben: Die Zentralbanken haben Liquidität geschaffen, und die Regierungen haben neue Schulden gemacht und die Staatshaushalte gewaltig ausgeweitet, um mit zusätzlichen Programmen Nachfrage zu erzeugen.
    Ist damit auch die Krise ausgestanden?
    Nein, die Folgen der Weltwirtschaftskrise sind, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, noch nicht überwunden. Zum einen ist zu befürchten, dass all die Ansätze, die Banken stärker an die Kandare zu nehmen, in Amerika nicht richtig greifen werden. Zum anderen fangen einige Banken schon wieder an, sich aufzuspielen und unglaubliche Bonifikationen auszuzahlen.
    Leider heißt das: Es werden gerade wieder die Voraussetzungen für das Entstehen einer neuen Blase geschaffen.
    Ja, und zwar weil die Regulierung der privaten Geldinstitute nicht richtig vorankommt und weil viele Banken schon wieder dabei sind, dieselben Fehler zu machen, die seit 2004 zum Entstehen dieser Blase beigetragen und sie letztlich zum Platzen gebracht haben.
    Verstehen Sie, warum der raubtierhafte Finanzkapitalismus, den Sie immer gegeißelt haben, offenbar nicht zu bändigen ist?
    Der amerikanische Präsident hat wohl verstanden, dass er für das, was eigentlich notwendig wäre, keine Mehrheiten im Kongress finden wird. Außerdem gibt es andere Themen, die er zu lösen versprochen hat, zum Beispiel die Gesundheitsvorsorge und die Alterssicherung. Das ist für ihn wichtiger, als sich mit dem Kongress auch noch wegen der Finanzaufsicht anzulegen. Wenn aber der Kongress nicht handelt und sich aus alter Tradition mit Eingriffen in die Wirtschaft zurückhält, dann heißt das eben, dass es sie in Amerika nicht gibt.
    Ohne Amerikaner keine Bändigung?
    Ohne die Amerikaner geht jedenfalls wenig. Wenn es in den USA keine Regulierung gibt, wird es auch in England keine geben, und sie wird sich auch nicht in der Welt ausbreiten. Und eine Neuordnung der Weltfinanz- und Weltgeldmärkte wird es ohne die USA schon gar nicht geben. Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass amerikanische, aber auch englische Politiker ein Interesse daran haben, dass die Wall Street und die City of London die Finanzzentren der ganzen Welt bleiben.
    Was bleibt da den anderen Staaten noch, Deutschland eingeschlossen?
    Die Europäische Union hätte zum Beispiel einen relativ großen Spielraum, und sie könnte relativ großen Einfluss auf die Weltmärkte für Geld und Kapital ausüben. Ich wäre schon glücklich, wenn wenigstens die EU innerhalb ihrer Grenzen eine stärkere Regulierung durchsetzen würde. Aber gegenwärtig stehen an ihrer Spitze keine sonderlich starken Personen, das gilt sowohl für den Präsidenten der Kommission als auch für den neuen ständigen Ratspräsidenten. Beide sind nicht sehr eindrucksvoll.
    Sind also alle Bemühungen vergebens?
    Nicht unbedingt. Man muss damit rechnen, dass das strategische Gewicht der USA in der internationalen Politik mittelfristig abnehmen wird. Und das wird sich dann auch auf die Finanzpolitik und besonders die internationale Finanzaufsicht auswirken.
    Könnte es nicht sein, dass eine anthropologische Konstante für das Scheitern der Regulierung mitverantwortlich ist? Dass der Mensch ganz einfach gierig ist und dort, wo schnelles Geld zu machen ist, auch das schnelle Geld machen will?
    Wenn es eine anthropologische Konstante wäre, dann müsste es einen sehr verwundern, dass der europäische Homo sapiens sehr viel weniger davon betroffen ist als der amerikanische. Nein, daran glaube ich weniger. Die Gene haben den Menschen zwar egoistisch konstruiert, aber der Egoismus ist im internationalen Vergleich doch sehr unterschiedlich ausgeprägt. In den USA gibt es offenbar
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