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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl
Autoren: dtv
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des Landes und der Höhe des Zehnten nun Elinor verdankte, die soviel darüber von Colonel Brandon gehört hatte, und das mit so großer Aufmerksamkeit, daß sie ganz genau Bescheid wußte.
    Danach blieb nur noch eine Frage zwischen ihnen ungeklärt, nur eine Schwierigkeit war noch zu überwinden. Sie hatten durch ihre gegenseitige Zuneigung und mit der wärmsten Zustimmung ihrer wirklichen Freunde zueinander gefunden, ihre gründliche Kenntnis voneinander würde ihr Glück zur Gewißheit machen – nun brauchten sie nur noch etwas, wovon sie leben konnten. Edward besaß zweitausend Pfund und Elinor eintausend, und das war, zusammen mit der Pfründe von Delaford, alles, was sie ihr eigen nennen konnten; denn Mrs.   Dashwood konnte ihnen unmöglich etwas zusteuern, und beide waren nicht so sehr verliebt, um zu glauben, daß dreihundertfünfzig Pfund im Jahr sie mit den Annehmlichkeiten des Lebens versorgen könnten.
    Edward war nicht gänzlich ohne Hoffnung, daß seine Mutter ihm gegenüber schließlich doch eine günstigere Haltung einnehmen würde; und darauf stützte er sich für den Rest ihres Einkommens. Doch Elinor hatte kein solches Vertrauen; denn da Edward noch immer nicht Miss Morton heiraten wollte und sie selbst zu wählen in Mrs.   Ferrars schmeichelhafter Rede lediglich als das kleinere Übel gegenüber der Wahl von Lucy Steele bezeichnet worden war, fürchtete sie, daß Roberts Vergehen keinem anderen Zweck dienen würde, als
Fanny
reicher zu machen.
    |402| Etwa vier Tage nach Edwards Ankunft erschien Colonel Brandon, was Mrs.   Dashwoods Freude nun vollständig machte; und sie hatte zum erstenmal, seit sie in Barton wohnte, die Ehre, mehr Besucher bei sich zu haben, als ihr Haus fassen konnte. Edward wurde das Privileg des Erstankömmlings zugestanden, und Colonel Brandon ging folglich jeden Abend hinüber zu seinem alten Quartier in Barton Park, von wo er gewöhnlich jeden Morgen früh genug zurückkam, um das erste vertrauliche Beisammensein der Liebenden vor dem Frühstück zu stören.
    Drei Wochen Aufenthalt in Delaford, wo er zumindest in seinen Abendstunden wenig mehr zu tun hatte, als das Mißverhältnis des Altersunterschieds zwischen sechsunddreißig und siebzehn auszurechnen, brachten ihn nach Barton in einem Gemütszustand, der jeglicher Besserung in Mariannes Aussehen, jeglicher Freundlichkeit ihres Willkommens und jeglicher Ermutigung durch die Worte ihrer Mutter bedurfte, um ihn wieder heiter zu stimmen. Doch unter solchen Freunden und bei soviel Schmeichelei lebte er wieder auf. Das Gerücht von Lucys Heirat war noch nicht zu ihm gedrungen; er wußte nicht, was inzwischen alles geschehen war, und die ersten Stunden seines Besuches verbrachte er folglich nur mit Hören und Staunen. Mrs.   Dashwood übernahm es, ihm alles zu erklären, und er fand erneuten Grund, sich darüber zu freuen, was er für Mr.   Ferrars getan hatte, da es nun auch Elinor zugute kam.
    Es wäre unnötig zu erwähnen, daß die Herren in gleichem Maße, wie sie ihre Bekanntschaft vertieften, auch ihre gute Meinung voneinander bekräftigten, denn anders konnte es gar nicht sein. Die Ähnlichkeit ihrer Grundsätze und ihrer gesunden Anschauungen, ihres Wesens und ihrer Denkungsart hätte wahrscheinlich auch ohne einen weiteren Anreiz schon ausgereicht, sie zu Freunden zu machen; doch daß sie zwei Schwestern liebten, und dazu zwei Schwestern, die einander sehr zugetan waren, ließ sie ganz zwangsläufig und unverzüglich Gefallen aneinander finden, was sonst der Wirkung von Zeit und Urteilsvermögen hätte überlassen bleiben müssen.
    |403| Die Briefe aus der Stadt, die wenige Tage zuvor jeden Nerv in Elinor in einen Taumel freudiger Erregung versetzt hätten, trafen nun ein und wurden mit mehr Heiterkeit als Gefühlsausbrüchen gelesen. Mrs.   Jennings schrieb, um die so erstaunliche Geschichte zu erzählen, um ihrer ehrlichen Empörung gegen das ungetreue Mädchen Luft zu machen und ihr Mitgefühl mit dem armen Mr.   Edward zu erklären – der, da sei sie ganz sicher, dieses nichtswürdige Flittchen ganz abgöttisch geliebt habe, und dem es, nach allem, was man hörte, in Oxford fast das Herz gebrochen haben muß. – »Ich glaube wirklich«, fuhr sie fort, »es ist noch nie etwas so hinterhältig betrieben worden; denn zwei Tage vorher hat mich Lucy noch besucht und hat ein paar Stunden bei mir gesessen. Keine Seele hat irgend etwas davon geahnt, nicht einmal Nancy; die arme Seele kam am Tag danach in ihrem
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