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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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Ziel zu verfolgen. Durch gar nichts. Nicht durch das milde Lächeln einer angeblichen Hexe, und schon gar nicht durch die giftigen Blicke zweier zahnloser alter Frauen.
    Tatsächlich fand er Giacomo, wie er es vermutet hatte. Der Freund kniete vorne gleich neben dem Altar in der Bank der Familie Pazzi. Sein Haupt war gesenkt, seine Hände andächtig gefaltet, so wie bei den Heiligen, deren Abbilder die Wände der Kirche schmückten. Er schien andächtig in das Gebet versunken und sah nicht einmal auf, als Cosimo direkt neben ihm stand. Doch Cosimo ließ sich nicht beirren. Giacomo hatte ihn bemerkt.
    »He, Giacomo!« Cosimo packte ihn an der Schulter und gab sich keine Mühe, besonders leise zu sprechen. Die beiden Weiber hatte er bereits in ihrer Andacht gestört. Und Giacomo wollte er stören. »Giacomo! Was um alles in der Welt tust du noch hier? Seit einer guten Stunde warte ich vergeblich auf dich.«
    Giacomo sah auf. Sein Gesicht war rot vor Scham. Wenn er Zweifel bekommen hatte, so hatten sie ihn noch nicht lange in ihren Klauen, denn auch er trug dieselbe Verkleidung wie gestern. Trotzdem schüttelte er den Kopf. Und Cosimo verstand. Aus irgendeinem Grund hatte den Freund der Mut verlassen. Kurz vor dem Ziel.
    »Geh allein, Cosimo«, flüsterte er und senkte beschämt seinen Blick. »Ich komme nicht mit.«
    »Was? Bist du verrückt geworden? Warum denn das?«
    »Weil es nicht recht ist, was wir vorhaben. Wir sollten uns nicht mit dieser Hexe einlassen. Es widerspricht dem rechten Glauben.« Diese Worte klangen so leer, als wären es nicht seine eigenen. Sie klangen wie mühsam auswendig gelernt.
    »Hast du etwa schon vergessen, dass du selbst noch gestern Abend ganz begierig darauf warst zu erfahren, was sich hinter dem Geheimnis verbirgt?«
    »Nun, ich habe es mir eben anders überlegt.«
    »Ich verstehe. Du hast es dir also anders überlegt. Und wer hat dabei nachgeholfen? War es vielleicht dein Stiefvater?«
    Giacomo rang die Hände. »Nun, ich … Nun ja, du hast Recht«, gestand er schließlich. »Der Schreiber des Bischofs hat mich gestern erkannt, als ich aus dem Zelt der Hexe trat. Wie du weißt, ist er der Beichtvater meines Stiefvaters. Und er hat es ihm natürlich erzählt. Du kannst dir vorstellen, was mich heute früh erwartet hat.« Giacomo starrte düster auf seine Hände. »Drei Tage muss ich jetzt fasten und beten. Und dabei kann ich noch froh sein, so glimpflich davongekommen zu sein.«
    Cosimo kannte Giulio de Pazzi gut. Giacomos Stiefvater, der gleichzeitig sein Onkel war und nach dem Tode seines älteren Bruders nicht lange gezögert hatte, dessen hübsche Witwe Lucia, Giacomos Mutter, zu heiraten, war ein meist schlecht gelaunt dreinblickender Mann. Täglich nahm er an der heiligen Messe teil, mindestens einmal wöchentlich legte er die Beichte ab, und Spaß verstand er überhaupt nicht. Cosimo dachte an das milde Lächeln der Hexe. Sie hatte angeblich gewusst, wer sie beide waren. Vielleicht hatte sie auch geahnt, dass Giacomo sich von seinem frommen, humorlosen Stiefvater einschüchtern lassen würde.
    »Und glaubst du nicht, dass dieses Geheimnis ein Risiko wert wäre? Dass es sogar wert wäre, vierzig Tage dafür zu fasten? Oder sind dir deine heißen Würste, die gebratenen Tauben und der Becher Wein wirklich so wichtig? Willst du endlich einmal für dich selbst denken und entscheiden, oder willst du für den Rest deines Lebens nur das tun, was dein Stiefvater dir erlaubt?«
    »Psst! So sprich doch leise«, wisperte Giacomo erschrocken und sah sich ängstlich um, als würde er einen der Spitzel seines Stiefvaters in der Nähe fürchten. »Wir sind in einer Kirche. Außerdem sind wir nicht allein. Wenn die beiden Alten dort drüben …«
    »Was kümmern mich die beiden?«, unterbrach Cosimo ihn zornig. Trotzdem senkte er seine Stimme zu einem Flüsterton. Auch wenn ihm die Meinung zweier alter Weiber egal sein konnte, so sollten sie nicht unbedingt erfahren, worum es hier ging. Es war ein Geheimnis. Ihr Geheimnis. Und das sollte es auch bleiben. »War es nicht deine Idee, zu der Hexe auf dem Jahrmarkt zu gehen?«
    »Ja, schon, aber …«
    »Und genau das meine ich, Giacomo«, sagte Cosimo. »Wir haben diese Sache gemeinsam begonnen, und wir werden sie auch gemeinsam beenden. Wir gehen zu Arianna nach San Miniato al Monte und hören uns an, was sie zu sagen hat.«
    »Aber …«
    »Keine Widerrede. Ich werde dorthin gehen. Und wenn du mich nicht begleitest, werde ich dir das nie
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