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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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schon alles. Die Schielende warf ihm noch einmal einen koketten, spöttischen Blick zu, dann verschwanden sie zwischen den Marktständen. Gewiss hatte sein Vater Recht, der jede Art von Wahrsagerei und Hexenkünsten einfach als groben Unfug und Geldschneiderei abtat. Dennoch war er aufgeregt. Und zu der Nervosität gesellte sich das herrliche erregende Kribbeln, dass hinter diesen schlichten Stoffbahnen vielleicht doch ein Geheimnis auf ihn warten könnte. Denn tief in seinem Inneren hatte er Zweifel an der Meinung seines Vaters.
    »Wollt ihr beide nicht endlich hereinkommen? Bald wird die Sonne untergehen.«
    Die Stimme aus dem Inneren des Zeltes klang weder unfreundlich noch gespenstisch, wie man es von einer Hexe erwarten würde. Im Gegenteil. Sie hörte sich so freundlich und einladend an, als wären sie bei einer Tante zu Besuch, die ihnen nun frisches Gebäck anbieten wollte. Oder war die Freundlichkeit etwa nur Tarnung wie in den Geschichten, die man ihnen erzählt hatte, als sie noch kleine Knaben waren? Cosimo und Giacomo sahen sich an und nickten sich gegenseitig aufmunternd zu, bevor sie dann endlich durch den Vorhang schritten und das laute Treiben auf dem Markt hinter sich ließen.
    Das Innere war ganz anders, als Cosimo sich das Zelt einer Hexe vorgestellt hatte. Wohl hingen einige Büschel getrockneter Kräuter von den hölzernen Querstangen herab, die das Dach trugen. Auch gab es ein paar mit blauer Farbe gemalte Symbole an den Zeltwänden, die vermutlich den einfachen, des Lesens und Schreibens unkundigen Knechten und Mägden geheimnisvoll und mysteriös erscheinen mochten. In Wahrheit handelte es sich jedoch lediglich um astronomische Symbole und römische Ziffern. Etwa ein halbes Dutzend Kerzen, ganz gewöhnliche Kerzen, wie man sie in jedem Haushalt finden konnte, standen auf zwei niedrigen, als Tische dienenden Holzkisten, und der angenehm frische Duft von Minze und Salbei erfüllte das Zelt. Die »Hexe« hockte auf einem Schemel. Sie trug gewöhnliche Kleidung, keinen Schmuck und hatte weder eine schwarze Katze noch einen Raben bei sich. Ihre langen hellen Haare baumelten in einem dicken geflochtenen Zopf über ihrer Schulter. Wäre sie Cosimo auf der Straße begegnet, er hätte sie ohne Zweifel für eine einfache Bäuerin oder ein Waschweib gehalten. Sie sah überhaupt nicht wie eine Hexe aus. Außerdem war sie viel zu jung. Nach Cosimos Schätzung war sie höchstens ein paar Jahre älter als Giacomo und er selbst.
    »Was wollt ihr beide von mir?«, fragte sie.
    »Ich … Ich meine, wir …«, stammelte Giacomo, der nicht weniger fassungslos über den Anblick zu sein schien als Cosimo.
    »Wir wollten mit jemandem ein Geschäft abschließen«, sagte Cosimo, der sich allmählich zu ärgern begann und darüber seinen Mut wiederfand. Er ärgerte sich über die verlorene Zeit, die er vor dem Zelt verbracht hatte, seine eigene Dummheit, seine lächerliche Nervosität. Im Stillen pflichtete er seinem Vater bei. Es gab keine Magie auf Gottes Erdboden. »Doch wie mir scheint, sind wir im falschen Zelt. Wir bitten unser Eindringen zu verzeihen und empfehlen uns.«
    »Falsches Zelt?« Das Lachen der Frau erklang glockenhell.
    »O nein, meine jungen Freunde, hier seid ihr genau richtig. Die Hexe, mit der ihr zweifelsohne euer Geschäft abschließen wolltet, das bin ich. Ich bin Arianna. Und das, was euch in diesem Augenblick irritieren mag wie das Fehlen von getrockneten Fledermausflügeln, fetten Spinnen, giftigen Kröten oder des Gestanks geheimnisvoller Zaubertränke, sind nur Äußerlichkeiten. Äußerlichkeiten jedoch sind veränderlich, sie sind Täuschung, vielleicht sogar nichts als Illusionen, euren eigenen Fantasien entsprungen. Äußerlichkeiten verraten nie etwas über das Innere, das wahre Wesen – oder über Macht. Deshalb sollte man Äußerlichkeiten auch keine allzu große Beachtung schenken. Schaut nur euch beide an. Wer euch begegnet, sieht zwei arme Schustergesellen vor sich. Doch ebenso könntet ihr euch verkleidet haben, um alle jene Gemüter zu täuschen, die zu schlicht und zu ober-flächlich sind, um hinter die Fassade zu blicken.«
    Sie lachte wieder, und Cosimo wurde feuerrot im Gesicht. Er hatte den Eindruck, die Frau hatte sie durchschaut und wusste – woher auch immer –, wer sie wirklich waren.
    »Nun also nochmals – warum seid ihr zwei hier? Oder wollt ihr, dass ich es errate?« Ihre braunen Augen funkelten belustigt, als sie zuerst Giacomo und dann Cosimo ansah.
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