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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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verzeihen. Komm, es ist höchste Zeit.«
    Noch zögerte Giacomo. Er sah sich wieder um, als würde er tatsächlich fürchten, sein Stiefvater würde gleich hinter einer Säule hervortreten und erneut Rechenschaft über seinen Ungehorsam von ihm fordern. Doch niemand war hier. Sie waren allein mit zwei alten Weibern, die bereits wieder begonnen hatten ihre Gebete zu sprechen und die beiden jungen Männer nicht weiter beachteten.
    »Also gut«, sagte Giacomo. Er erhob sich und reichte Cosimo die Hand. »Du hast Recht. Es ist unser Geheimnis. Und wir werden ihm gemeinsam auf den Grund gehen, ganz gleich, wie tief er auch sein möge.«
    »So gefällst du mir«, sagte Cosimo. »Und jetzt rasch, sonst ist Arianna wieder fort, ehe wir San Miniato al Monte erreicht haben.«
    Gemeinsam liefen sie aus der Kirche. Während sie auf der alten Brücke den Arno überquerten, jener Brücke, die so alt war wie die Stadt selbst, begannen die Glocken der Kirchen von Florenz zu läuten. Cosimo konnte deutlich den Klang der Glocke von Santa Maria del Fiore heraushören. Und den von San Lorenzo, jener Kirche, in der die Familie Medici die heilige Messe zu besuchen pflegte. Es war das Mittagsläuten, das Läuten zu Ehren der Verkündigung des Herrn. Es war vertraut, und doch klang jeder einzelne Glockenschlag wie eine Mahnung, dass sie sich beeilen mussten. Cosimo und Giacomo liefen, was ihre Beine hergaben. Ihre Haare und Hemden flatterten im Wind, und wer nicht rechtzeitig aus dem Weg sprang, wurde einfach umgerannt. Manche der Leute, an denen sie vorbeirannten, als wäre der Teufel mit allen seinen Spießgesellen hinter ihnen her, schüttelten lächelnd die Köpfe. Andere schimpften oder drohten mit den Fäusten. Doch sie kümmerten sich nicht darum. Sie waren jung. Und sie waren auf dem Weg zu einem aufregenden, spannenden Abenteuer. Später, in den Jahren danach, dachte Cosimo oft an diesen Tag zurück; er dachte an die Worte des Freundes in der Stille der kleinen Kirche der Familie Pazzi. Und er fragte sich dann jedes Mal, ob Giacomo an diesem Tag vielleicht – wenn auch nur tief im Inneren seiner Seele – geahnt hatte, worauf sie im Überschwang ihrer Jugend bereit waren sich einzulassen.
    Den Weg zu dem Wäldchen vor den Toren von Florenz legten sie vergleichsweise schnell zurück. Ihre Beine und Lungen waren kräftig. Trotzdem waren die letzten Schläge des Mittagsläutens längst verklungen, als sie endlich völlig erschöpft, mit roten Gesichtern und verschwitzten Kleidern, den Hügel erklommen hatten. Gierig nach Luft ringend, blieben sie stehen und sahen sich um. Die Kirche San Miniato al Monte und das dazugehörige Kloster lagen oberhalb des Wäldchens und waren nicht zu sehen. Stattdessen hatte man von hier aus einen herrlichen Blick über die Stadt. Der Arno glitzerte wie ein Band aus reinem flüssigem Silber. Man sah deutlich die alte Brücke mit ihren vielen kleinen Geschäften, die Dächer der Häuser der Bürger und die Türme, die zu den Palästen der wohlhabenden Familien gehörten. Daneben standen die Glockentürme der großen Kirchen – San Lorenzo, Santa Maria Novella, Santa Croce. Und über allem thronte die herrliche Kuppel von Santa Maria del Fiore, ein wahres Meisterwerk der Baukunst. Es war ein Anblick, der einem vor lauter Schönheit den Atem rauben oder Tränen in die Augen treiben konnte. Doch weder Cosimo noch Giacomo hatten heute einen Blick für die Wunder ihrer Heimatstadt. Sie suchten Arianna, die Hexe.
    »Kannst du sie irgendwo entdecken?«, fragte Giacomo, vor
    Anstrengung laut keuchend.
    »Nein«, antwortete Cosimo. Er spürte so heftige Stiche in der Seite, als ob ihm jemand einen Dolch in den Leib gerammt hätte. Er drehte sich ein paarmal im Kreis, dann stampfte er mit seinem Fuß auf, sodass eine Staubwolke ihm die Sicht auf die Stadt nahm. Er war wütend. Wütend und enttäuscht. Wütend, weil sie es nicht geschafft hatten, rechtzeitig hier zu sein; weil Arianna nicht wenigstens ein bisschen länger auf sie gewartet hatte; weil sie nun niemals das Geheimnis erfahren würden. Aber vielleicht … Er war schließlich ein Medici, und ein Medici ließ sich nicht durch vermeintliche Rückschläge entmutigen.
    »He!«, rief Cosimo, so laut er konnte. »He! Arianna! Wo steckst du?«
    »Das hat doch keinen Sinn«, sagte Giacomo mit hängenden Schultern. »Sie ist fort. Sie hat Florenz bestimmt bereits verlassen.«
    »Aber vielleicht ist sie noch nicht weit entfernt und kann uns hören«, erwiderte
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