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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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bestand, so fein und sauber gearbeitet, dass man es übersah, wenn man nicht davon wusste. Er drehte die beiden Enden behutsam gegeneinander und hielt zwei Stücke in seinen Händen. Der Ast war in Wahrheit eine Röhre. Und in seinem Inneren steckte ein zusammengerolltes Pergament. Vorsichtig zog Cosimo es heraus. Giacomo schaute ihm dabei über die Schulter.
    Bereits auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es sich um eine alte Schrift handelte. Uralt, um genau zu sein, denn die ehemals wohl schwarze Tinte war blass. Doch dank der Röhre, in der es die Jahre trocken und sicher überdauert hatte, befand sich das Pergament in einem erstaunlich guten Zustand, abgesehen von den unregelmäßigen schwarzen Rändern, die bei der Berührung zu schwarzem Staub zerfielen und aussahen, als hätte einst jemand versucht es zu verbrennen. Cosimo erkannte griechische Buchstaben. Doch da waren auch noch andere Zeichen, und die Worte waren unverständlich oder ergaben keinen Sinn. Das Einzige, was sich zweifelsfrei mit einem Blick identifizieren ließ, war eine kleine Zeichnung im linken oberen Rand des Pergaments. Es war das Bild eines Falken.
    »Und was soll das jetzt?«, fragte Giacomo und zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich kann nicht ein Wort lesen, geschweige denn verstehen, was dort geschrieben steht.«
    »Es ist natürlich verschlüsselt«, erklärte die Frau. »Merlin hat seine Schriften stets in einer Geheimschrift abgefasst, um sie nicht jedem zugänglich zu machen. Doch in Anbetracht eurer Bildung solltet ihr beide in der Lage sein, den Text zu entziffern.«
    »Merlin?«, rief Giacomo aus. »Habe ich eben richtig gehört? Du meinst doch nicht etwa den Merlin, der …«
    »Doch, genau den meine ich. Ihn, den Ratgeber der Könige, den größten Magier aller Zeiten. Es ist lange her, da begann er damit, sein Wissen für seine Schüler niederzuschreiben, jeden einzelnen Spruch, jedes Ritual, jedes Rezept, seinen eigenen Weg zu den Geheimnissen der Magie. Alles, was er wusste, stand in diesen Schriften, die in Leder gebunden wohl mehr als zweitausend Seiten umfasst haben mussten. Aus der ganzen Welt kamen gelehrte Männer und Frauen, um dieses Buch zu studieren, und die Magie und die Wissenschaften erfuhren eine Blütezeit, wie sie wohl niemand je erträumt hatte. Doch der Mensch ist nicht in der Lage, mit Wissen und Macht weise umzugehen. Viele missbrauchten Merlins Erkenntnisse – aus falscher Barmherzigkeit, aus Habgier, Hass oder Neid. Einer von ihnen trieb es besonders schlimm. Er benutzte die Schriften des großen Magiers, um jene Grenzen, die Merlin selbst aus Weisheit und Einsicht stets unangetastet ließ, zu überschreiten und seine eigenen furchtbaren Experimente durchzuführen. Er erschuf entsetzliche Ungeheuer, beschwor Dämonen herauf und tat so manches, was gegen jede gottgewollte Ordnung verstieß. Als Merlin davon erfuhr, war er außer sich vor Zorn. Er verfluchte den jungen Magier und vernichtete ihn. Doch letztlich gab er sich selbst und seinem Werk die Schuld an diesem Unglück. Er nannte es seinen ›Fluch‹ und wollte das Buch vernichten. Doch er hatte das Pergament mit einem mächtigen Schutzzauber belegt, sodass es sich der Einwirkung von Feuer, Wasser, Kälte und Alter entzog. Und nicht einmal er selbst war in der Lage, diesen Zauber zu brechen. Da beschwor Merlin einen Sturm herauf. Einen Sturm, der so gewaltig war, dass er das Buch auseinander riss und die Seiten über die ganze Welt verstreute. Seit diesem Tag gilt der Fluch des Merlin , wie das Werk genannt wird, als verschollen. Doch immer wieder tauchen einzelne Seiten auf.«
    »Und das soll eine davon sein?«, fragte Cosimo ungläubig. Es klang mehr als unwahrscheinlich. Merlin war eine Märchengestalt, ein Mythos, den er aus dem Heldenepos eines Dichters aus dem fernen England kannte. Mehr nicht. »Wie kommst du zu dieser Schrift?«
    »Diese Frage kann ich leider nicht beantworten. Das Pergament befindet sich bereits seit langem im Besitz meiner Familie. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben, stets von der Mutter auf die Tochter.«
    »Und wer sagt uns, dass dieses Pergament echt ist?«
    »Der Falke. Er ist Merlins Siegel und ist auf jeder Seite seines Werkes zu finden. Und außerdem …« Die Hexe lächelte. »Entschlüsselt den Text. Es handelt sich um das Rezept für einen Trank. Probiert ihn aus, dann werdet ihr schon merken, ob das Pergament echt ist oder nicht.«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Giacomo und warf
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