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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus
Autoren: Frank Demant
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kontrollierte den Bembel, „bring am besten noch so ein Gerät. Zur Vorsorge, weißt du …“
    „Zur Altersvorsorge“, verbesserte Schmidt-Schmitt.
    „Sicherer als Riester“, schob Herr Schweitzer nach. „Hat locker fünf Prozent, so’n Ebbelwei.“
    „Und wenn mer gleich’n Bembel nimmt, verdoppelt sich der Einsatz ruckzuck.“
    „Genau.“
    Helmut war mit seinen Gästen vertraut. Stets kam der Zeitpunkt, da er nicht mehr antwortete. Bei den einen früher, bei den anderen später, je nach Trinkgeschwindigkeit. Es erwartete dann auch keiner mehr eine Antwort von ihm. Wozu auch? Es reichte, wenn man sich selbst babbeln hörte. Es gab sogar Kandidaten im Eichkatzerl, die redeten in den Raum hinein. Einfach so. Sie kamen allein, saßen allein und gingen allein. Abend für Abend. Helmut ging wortlos einen neuen Bembel füllen.
    Später sah Herr Schweitzer das Kreuz des Südens am Himmel, so besoffen und stoned war er. Man war übereingekommen, in Schmidt-Schmitts Garten noch einen durchzuziehen. Als krönenden Abschluß sozusagen. Keiner der beiden Helden sollte es zum Schlafen noch bis ins Bett schaffen. Und Herr Schweitzer ahnte nichts davon, daß er in Bälde von einem seiner Entführer ins Visier genommen werden sollte.
    Irgendwann war der Wodka ausgegangen und Alexander Michailovitsch samt seiner zwei Schergen hatte zwangsläufig zum Apfelwein wechseln müssen. Kaum eine Sachsenhäuser Kneipe, die darauf vorbereitet war, drei trunksüchtige Russen bis zum Abwinken mit Wodka zu verköstigen. Da aber das hessische Nationalgetränk nach osteuropäischem Dafürhalten so gut wie keinen Alkohol enthielt, hatte man zusätzlich eine Flasche Jägermeister geordert. Dieser Mix an sich mutete schon sehr pervers an, doch was Alexander, Wladimir und Sergej mit diesen zwei Komponenten anstellten, schlug ein jedem Faß den Boden aus. Sie füllten ihre Gläser tatsächlich mit einem Drittel Jägermeister und zwei Dritteln Apfelwein. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Oder: besser nicht. Jedenfalls verursachte alleine der Gedanke, daß man diesen Cocktail trinken müsse, bei den anwesenden Sachsenhäusern ein derartiges Ekelgefühl, daß sie von sich aus einen nicht unbeträchtlichen Sicherheitsabstand zu den drei Russen einhielten. Wegen der nicht auszuschließenden Explosionsgefahr stellte sich so manch einer sogar lieber an den Tresen, anstatt auf der Bank neben den Gestörten zu sitzen. Den Russen war’s schnuppe, was die Eingeborenen über sie dachten. Nur die Promillezahl zählte. Wie sie zustande kam, war unerheblich. Russischen Lebern konnte selbst Industriealkohol nichts anhaben. Trink, Brüderlein, trink – um was anderes ging’s nie.
    Und mochten die Sankt Petersburger Saufnasen noch so trinkfest sein, die Bakterienkulturen des Apfelweins hatten sie einfach nicht auf der Rechnung. Zu vorgerückter Stunde und noch ehe sie auch nur in Reichweite ihrer Promille-Leistungsgrenze kamen, wurden sie von den kleinen unsichtbaren Dingern überwältigt. Zuerst platzte der Knoten bei Wladimir. Zehn Minuten darauf folgten die beiden anderen. Zu dritt blockierte man die Toiletten des Apfelweinlokals in der Textorstraße. Ein fürchterlicher Durchfall war über sie hereingebrochen und lähmte sämtliche Impulse ihrer Trunksucht. Die Konsistenz ihrer Ausscheidungen ähnelte hellbraunem Brackwasser. Bis zu ihrem Tode sollte sich keiner der drei Russen je mehr am Apfelwein vergreifen, zu brutal und einschneidend waren ihre Erfahrungen an diesem lauen Sachsenhäuser Sommerabend.
    Maxim kämpfte mit der Müdigkeit. Doch als das Taxi vor dem Hotel King anhielt, war er wieder hellwach. Er brachte das Gewehr in Stellung. Im diffusen Licht des Wageninneren glaubte er, Alexander Michailovitsch zu erkennen. Damit lag er richtig. Wie bei abgeklärten Killern üblich, war sein Adrenalinaufkommen nur unwesentlich erhöht. Seine ganze Konzentration galt dem unmittelbar bevorstehenden Todesschuß. Das Streicheln der Abzugsvorrichtung wirkte erotisierend auf ihn. Es war Maxim völlig scheißegal, daß er sich mit dem Tod des Russens jedwede Chance verbaute, seinen ursprünglichen Auftrag zu erfüllen. Von ihm aus konnte der Entführte aus der Hütte im Taunus ungeschoren davonkommen.
    Der Bezahlvorgang im Taxi hatte nur wenige Sekunden gedauert. Alle drei Wagentüren öffneten sich gleichzeitig, doch in seinem Fokus lag nur die vordere rechte. Gleich würde er sich eine weitere Kerbe ritzen können. Sicher, denn nur er
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