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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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und beobachtete, wie das Wasser von der Eisskulptur auf die Silberplatte mit den Austern tropfte. So viel zur Stürmung der Bastille, dachte er müde. Es war ein Abend, eine Party wie immer. Und die nahm ihren üblichen Verlauf.
    »Du hattest mehr als genug Austern für heute, Reggie«, hörte er eine mürrische Stimme sagen. »Denk doch an deine Gicht!«
    »Ich hatte seit Monaten keine Probleme mehr damit.«
    »Nur weil ich dafür gesorgt habe, dass du Diät hältst«, erwiderte Helena.
    »Dann könntest du dich ja heute Abend um etwas anderes kümmern«, sagte Reggie und nahm sich die nächste Auster. Er setzte sich die Muschel an den Mund und schlürfte sie aus.
    »Himmlisch« stand auf seinem Gesicht, als die glibberige Masse seine Kehle hinunterrann.
    Helena schüttelte sich. »Es ist absolut ekelhaft, lebendige Tiere zu verspeisen.« Sie sah Jordan an und bemerkte seinen leicht amüsierten Gesichtsausdruck. »Oder findest du das etwa nicht?«
    Jordan zuckte diplomatisch mit den Schultern. »Kommt auf den jeweiligen Hintergrund an, würde ich sagen. In manchen Kulturen werden Termiten gegessen oder zitternde Fische. Ich habe auch gehört, dass man Affen den Schädel kahl schert, sie fixiert, damit sie sich nicht mehr bewegen können …«
    »Bitte nicht weiter!« stöhnte Helena.
    31
    Jordan floh, bevor die Auseinandersetzung eskalierte. Man sollte sich nie zwischen streitende Ehepartner stellen. Er vermutete, dass Lady Helena sowieso meistens die Oberhand behielt; das war bei Leuten mit Geld immer so.
    Er schlenderte hinüber zu Finanzminister Philippe St. Pierre und fand sich urplötzlich in einer Vorlesung über die Weltwirtschaft wieder. Der Gipfel sei ein Misserfolg, erklärte Philippe. Die Amerikaner wollen Handelskonzessionen, aber ihre Steuerpolitik nicht ändern. Und so weiter und so weiter. Es war fast eine Erleichterung, als die glasperlenbestickte Nina Sutherland unvermittelt in die Unterhaltung platzte, ihren pfauenhaften Sohn Anthony im Schlepptau.
    »Nicht nur die Amerikaner müssen sich bessern«, schnaubte Nina. »Keiner von uns, nicht mal die Franzosen, macht seine Sache zurzeit besonders gut. Oder was sagst du, Philippe?«
    Philippe errötete unter ihrem Blick. »Wir haben im Moment alle unsere Schwierigkeiten, Nina …«
    »Die einen mehr, die anderen weniger.«
    »Wir haben es mit einer globalen Rezession zu tun. Da muss man Geduld haben.«
    Nina ereiferte sich. »Und wenn man sich das Warten nicht leisten kann?« Sie leerte ihr Glas in einem Zug und stellte es mit Vehemenz ab, »Was dann, Philippe, mein Liebling?«
    Die Unterhaltung verstummte abrupt. Jordan bemerkte, dass Helena amüsiert zuschaute und dass Philippe sein Glas mit weiß gewordenen Fingerknöcheln umklammerte. Was zum Teufel ist denn hier los? fragte er sich. Eine kleine Privatfehde? Überhaupt waren an diesem Abend merkwürdige Spannungen zu spüren.
    Vielleicht lag es aber nur daran, dass der Champagner in Strömen floss. Reggie hatte ihm jedenfalls schon zu sehr zugesprochen. Ihr korpulenter Hausgast wanderte gerade wieder vom Austerntablett zum Champagnertisch. Mit unsicherer Hand nahm er sich ein Glas und führte es an die Lippen. Heute Abend 32
    benahmen sich alle etwas sonderbar. Sogar Beryl.
    Insbesondere Beryl.
    Er beobachtete seine Schwester, die gerade den Raum betrat.
    Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten. Knapp hinter ihr ging der Amerikaner, dessen Wangen ebenfalls gerötet waren, und der den Eindruck erweckte, dass er sich etwas unbehaglich fühlte. Aha, dachte Jordan und lächelte. Ein kleines Techtelmechtel im Garten gehabt, was? Schön für sie. Die arme Beryl konnte etwas Romantik gebrauchen – vielleicht würde sie dann endlich diesen chronisch untreuen Chirurgen vergessen.
    Beryl nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett einer der Hostessen und ging auf Jordan zu. »Na, amüsierst du dich?«
    fragte sie.
    »Nicht so gut wie du, würde ich sagen.« Er sah hinüber zu Richard Wolf, der gerade von einem amerikanischen
    Geschäftsmann in Beschlag genommen worden war.
    »Und?« flüsterte er. »Konntest du ihm ein Geständnis abringen?«
    »Nicht ein Wort.« Sie lächelte über den Rand ihres Glases hinweg. »Seine Lippen sind versiegelt.«
    »Ach ja?«
    »Ich versuch’s nachher noch mal. Erst muss er sich ein bisschen abkühlen.«
    Wie schön meine kleine Schwester aussieht, wenn sie glücklich ist, dachte Jordan. Was in letzter Zeit nicht so oft vorgekommen war, wie ihm schien. In ihrem Herzen
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