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Vermisst: Thriller (German Edition)

Vermisst: Thriller (German Edition)

Titel: Vermisst: Thriller (German Edition)
Autoren: Meg Gardiner
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hinüber und streckte fordernd die Hand aus.
    »Georgie«, flüsterte ich.
    Sie nahm meine Hand und schluchzte untröstlich in meiner Umarmung. Ich hielt sie ganz fest und ging mit ihr davon.

40. Kapitel
     
     
     
     
    Die Frage »Was wäre, wenn?« führt unweigerlich in den Wahnsinn, das war mir schon lange klar gewesen. Aber ich hatte nicht gewusst, wie mir diese Worte in den Ohren hallen und die Luft abschnüren würden. Das Licht der Sonne war mir unerträglich. Ich war außerstande, irgendetwas zu empfinden. Das Leben floss um mich herum, während ich in einem Niemandsland gefangen war.
    Als ich wegen unerlaubten Entfernens vom Ort eines Verbrechens vor ein Bundesgericht gestellt wurde, stand Lavonne Marks an meiner Seite. Ich plädierte auf »nicht schuldig«. Lily Rodriguez saß auf der Besucherbank und versprach mir, später für mich auszusagen, falls es jemals zu einer Hauptverhandlung kam. Ich wusste das zu schätzen. Alles andere war mir gleichgültig.
    Weder Nicholas Gray noch Drew Farelli waren anwesend. Die beiden waren suspendiert worden. Gray musste mit einer Anklage wegen Anstiftung zu einem Verbrechen rechnen. Farelli wurde der Verabredung zu Straftaten und Gewalttätigkeiten gegenüber einer Polizeibeamtin beschuldigt. Die beiden würden ihre gerechte Strafe erhalten.
    Der Haftbefehl gegen mich wegen des Mordes an Boyd Davies war zurückgenommen worden. Jemand hatte den Staatsanwalt in Santa Barbara davon überzeugt, dass ich bei der Schießerei nur als Geisel zugegen gewesen war. Hinter den Kulissen wurde fieberhaft daran gearbeitet, das Debakel zu vertuschen. Es würde keine Anklage wegen des Todes einer ehemaligen Prostituierten namens Bliss in Bangkok geben. Drew Farelli hatte das FBI damals gar nicht verständigt. Ihm und Gray war es nur darum zu tun gewesen, Material gegen meinen Vater zu sammeln. Mein Schicksal war ihnen herzlich gleichgültig gewesen. Die Polizei in Bangkok schloss den Fall ab. Shivers Fingerabdrücke waren in dem Hotelzimmer gefunden worden, und so hängte man ihr, der ebenfalls Toten, die Ermordung ihrer Partnerin an. Die Leute hinter Riverbend verstanden ihr Handwerk.
    Lavonne war davon überzeugt, dass ich mit einer Bewährungsstrafe davonkommen würde. Ich würde meine Zulassung als Anwältin verlieren, aber das war mir egal. Was zählte überhaupt noch?
    Meine Wut, der quälende Schmerz, die Endgültigkeit des Todes. Die Welt, die um mich herum wie hinter einem Vorhang lachte und lebte. Warum hörte die Erde nicht auf, sich zu drehen? Einzig Brian, meinem Bruder, und meiner Mutter schien es ähnlich zu gehen. Bei ihnen ließ ich mich manchmal fallen.
    Was zählte noch? Dass Nicholas Gray entlarvt worden war und mein Vater plötzlich nicht mehr als Hochverräter galt, weil die Regierung den Ball möglichst flach halten wollte. Und so wurde er mit allen militärischen Ehren beigesetzt.
    An einem Frühlingsnachmittag stand ich mit meiner Familie in Shawnee unter dem endlosen Himmel der Prärie. Eine sanfte Brise umspielte mein Gesicht, der Hang neben uns war bedeckt von Lupinen, und wir lauschten den Worten des Priesters. Asche zu Asche. Alpha und Omega. Brian wirkte in seiner Galauniform steif wie ein Stock. Mein Neffe Luke drückte sich an mich. Er war traurig und müde, und die ungewohnte Krawatte verstärkte sein Unbehagen noch. Georgie wirkte still und in sich gekehrt. Meine Mutter schien wütend und weit weg mit ihren Gedanken, als habe sie ihr Leben lang auf diesen Augenblick gewartet und könne meinem Vater nicht verzeihen.
    Über den Sarg war die amerikanische Flagge gebreitet, in der ich das Leben meines Vaters wiedererkannte. Für einen Augenblick vergaß ich darüber, wie sie ihn aus dem Wasser geholt hatten, wie unwiderruflich still seine Hand gewesen war, als ich begriff, dass ich versagt hatte und es nie wieder gutmachen konnte. Mir stockte der Atem. Zwei Matrosen falteten die Flagge zusammen und überreichten sie mir. Ich presste sie an meine Brust und ließ den Kopf hängen.
    Als Brian mir die Hand auf die Schulter legte, donnerten FA-18-Düsenjäger über uns hinweg. Mein Vater war Marineflieger gewesen, und nun erwies ihm Brians Geschwader die letzte Ehre. Plötzlich löste sich ein einziger Jet aus der Formation und erhob sich in den Himmel.
    Während ich ihm nachstarrte, fragte ich mich, wo mein Vater wohl sein mochte und warum er den Mann, den ich so leidenschaftlich geliebt hatte, diesen hohen Preis hatte bezahlen lassen.
    Die Sonne funkelte
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