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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden
Autoren: ANNE O'BRIEN
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Dieser Mann, der ihr unerfahrenes Herz und ihre Gefühle erweckt und ihr schmerzlich in Erinnerung gerufen hatte, was in ihrem liebesleeren Leben fehlte, war ein Idol auf tönernen Füßen. Die Enttäuschung machte ihr das Herz schwer.
    Ehe sie zur Tür ging, legte sie kurz eine Hand auf seine Schulter. Ja, die Haut war kühl, das Fieber fort. Nicht jedoch das Fieber in ihrem eigenen Blut. Selbst diese leichte Berührung jagte ihr heißes Feuer durch die Adern. Es ist nur physisches Begehren! Harriette errötete schamvoll.
    „Haben Sie Familie? Wird man Sie vermissen?“ Sie sprach kurz angebunden, um ihre Befangenheit zu verbergen.
    „Einen Bruder in London. Aber der wird mich vorerst nicht vermissen. Sie sind, wenn ich mich recht erinnere, Harry Lydyard.“
    „Ja, ich bin Harry Lydyard.“ Mühsam unterdrückte sie ein amüsiertes Lachen. Er hielt sie immer noch für einen Mann! Und wenn schon! Er war verschlagen und lügnerisch. Und da er auf dem Wege der Besserung war, würde sie, falls er noch etwas benötigte, George zu ihm schicken, sodass sie ihn nie wieder sehen musste. Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden würde er aus ihrem Leben verschwunden sein.
    Besser, ihn los zu sein! Doch ihr Herz pochte schmerzhaft.

3. KAPITEL
    Während Lucius darauf wartete, dass er seine Kräfte wiedererlangte, überdachte er seine Lage, und sosehr er sich bemühte, fand er doch keinen Grund zu besonderem Optimismus. Sein Körper fühlte sich an, als wäre eine Herde wilder Pferde über ihn hinweggetrampelt, in seinem Kopf hämmerte es, und hinter seinen Augen lauerte ein stechender Schmerz. Nun, es hätte schlimmer kommen können. Er könnte tot sein. Wenigstens war er nicht völlig erledigt. Zwar schmerzte es schon höllisch, nur den linken Arm zu heben, aber er würde sich allein weiterhelfen können, sofern man ihm ein paar Kleidungsstücke überließ. Glaubte er das wirklich? Der hoffungslose Fehlschlag seiner französischen Unternehmung war wohl kaum Beweis dafür, dass er alles im Griff hatte.
    Die bittere Erfahrung verdrängte er vorerst lieber, denn wenn er sich darüber Gedanken machte, würde es ihm nur noch mehr Kopfweh einbringen. In nächster Zeit blieb ihm sowieso nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass Noir sich erneut mit ihm in Verbindung setzte – worauf der nicht verzichten würde, das stand fest. Außerdem würde er seinem Bruder möglichst plausibel erklären müssen, wie er zu der Kugel im Arm und dem Loch im Kopf gekommen war.
    Düster zog er die Brauen zusammen. Diese Sache mit Jean-Jacques Noir … Eine verflixte Situation! Lucius knirschte mit den Zähnen und starrte an den Betthimmel, wo ein Spinne munter in ihrem ausgedehnten Netz herumspazierte, während er zu vergessen suchte, welch ein Maß an Geringschätzung er in Captain Harrys Augen gelesen hatte. Es war ihm unangenehm.
    Ja, es war ihm unangenehm. Er hatte sich um die Wahrheit gedrückt, und der junge Mann hatte ihn dafür verächtlich, gar abfällig gemustert. Aber mit welchem Recht maßte sich ein gewöhnlicher Schmuggler an, über ihn, Lucius Hallaston, zu urteilen? Mit demselben Recht, mit dem du dich selbst verurteilst. Du verdienst es allein schon, weil du dich in diesen Schlamassel gebracht hast, flüsterte ihm höhnisch sein Gewissen zu.
    Er musste eingedöst sein und erwachte, als die Tür aufgestoßen wurde und ein stämmiger Mann eintrat, ein Kleiderbündel im Arm. Sein Äußeres ließ eher auf seemännische Fähigkeiten schießen als auf die, für einen Gentleman den Kammerdiener zu spielen. Ihm auf dem Fuße folgte eine ebenso stämmig gebaute, energische Frau, deren grobe Züge in missbilligende Falten gelegt waren. Auf einem Tablett balancierte sie einen Krug mit heißem Wasser, eine Schüssel und eine Suppenschale mit etwas wunderbar Duftendem darin.
    „’n Morgen, Sir“, sagte der Fischer und legte das Bündel auf dem Bett ab, „Captain Harry schickt mich … soll mich um Sie kümmern.“
    „Vielen Dank.“ Lucius versuchte, sich in den Kissen aufzurichten.
    „Sie haben ’n paar nette Beulen, schätze ich.“ Ohne zu zögern, legte der Mann ihm einen Arm um die Schultern und half ihm hoch. „Seh’n ja heute Morgen schon lebendiger aus, Sir. Bei all dem Blut hab ich gedacht, Sie schaffen’s nicht. George Gadie bin ich, Fischer von Beruf.“
    „Und Schmuggler?“ Wenn Lucius’ Erinnerung auch getrübt war, so hatte er doch ein paar Gegebenheiten seiner Rettung behalten.
    „Aye, Sir …“
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