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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier
Autoren: S Scarlett
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meine Schuhe angeht – selbst der Türsteher konnte sie nicht übersehen –, nun ja, Sie kennen ja das alte Sprichwort: Die Klasse eines Mannes erkennt man an seinen Schuhen. Zu meiner Entlastung muss ich anführen, dass die dunkelroten Kickers-Treter eine absolute Notlösung sind. Mein einziges anständiges Paar Schuhe steht beim Schuster in Oswestry, und ich habe keine Ahnung, wie lange es noch dauert, bis er sich von seiner Leistenbruchoperation erholt hat.
    Das Erste, was ich mir von meinem Vorschuss kaufen werde, ist ein neues Paar Schuhe. Bei einem Drittel von einer Million bleibt mir selbst nach Abzug von Geralds zwanzig Prozent plus Mehrwertsteuer – ich habe es auf dem Weg hierher schon mal überschlagen – eine schlappe Viertelmillion Pfund übrig. Mehr als genug, um das Dach reparieren zu lassen und ein paar andere dringende Anschaffungen zu machen. Es ist der dickste Honorarscheck meiner gesamten Laufbahn.
    »Und die Vertragsbedingungen, die du erwähnt hast, Gerald …«
    »Ah. Ja. Die Vertragsbedingungen.«
    Unsere Austern werden serviert. Gerald stürzt sich mit einer Hingabe darauf, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte.
    »Das Problem ist«, sagt er zwischen zwei der glitschigen Meerestiere, »dass sie zum Erscheinen von Sündige Leidenschaft ein bisschen die Trommel rühren wollen.«
    Sündige Leidenschaft ist mein jüngstes Meisterwerk. Oder sollte ich lieber Angelas Meisterwerk sagen?
    »Was heißt das?«
    »Ach, das Übliche. Printkampagne. Ein bisschen Fernsehen. Signierstunden. Lesungen und all so was. Erstklassige Austern, findest du nicht?«
    »Gerald, hast du gerade Signierstunden gesagt?«
    Seine Augen wirken ein wenig glasig, als er schlürfend die nächste Auster verputzt. Er nickt. »Und Lesungen.«
    »Mit Fernsehen meinst du …«
    Mir ist aufgefallen, dass Gerald mich nicht ansieht. Stattdessen fummelt er mit dem Schnickschnack herum, der mit den Austern serviert wurde – eingelegtes Gemüse, Essig und allerlei anderes Zeug, womit man die Tierchen garnieren kann, ehe man sie sich einverleibt. »Es sind Auftritte in einigen Frühstücksfernsehsendungen geplant«, murmelt er.
    »Gerald, wissen die Amerikaner über Angela Bescheid?«
    »Du meinst, ob sie wissen, dass Angela in Wahrheit gar keine Frau ist?«
    Einen Moment lang herrscht qualvolle Stille am Tisch, während er Auster Nummer zwei für ihre letzte Reise vorbereitet.
    »Bill, die Sache sieht folgendermaßen aus«, sagt er, als seine Augen wieder aufgehört haben, von der Säure des Essigs zu tränen, »wenn die Amis herausfinden, wer unsere liebe Angela in Wahrheit ist, geht der Deal den Bach runter. Natürlich können wir ihnen nicht verraten, dass Angela in Wahrheit ein Mann ist. Denk doch nur an deine Leser. Angela Huxtable ist ein Teil ihres Lebens. Sie regt ihre Fantasie an. Sie bringt sie zum Weinen. Törnt sie an. Stell dir vor, was passiert, wenn sie herausfinden, dass sich dahinter ein alter, stinkender, verschwitzter Typ verbirgt. Nicht dass du alt wärst oder stinken und ständig schwitzen würdest, versteht sich.«
    »Danke.«
    »Wir haben eben immer suggeriert, dass Angela eine Frau ist. Das ist ein Teil des nicht bestehenden Vertrags zwischen Leser und Autor. Und um das zu untermauern, haben wir der Dame eine hübsche kleine Biografie verpasst.«
    »Aber was ist mit dem bestehenden Vertrag, Gerald? Zwischen uns und dem Verleger?« Ein Anflug von Bekümmerung erscheint auf Geralds Zügen. »Die Lesungen, die Signierstunden, die Fernsehauftritte …«
    Gerald seufzt. »Es soll eine Promotiontour stattfinden. Durch sechs amerikanische Großstädte.«
    »Aber wie …?«
    »Die Promotionauftritte sind Vertragsbestandteil. Sonst wäre es ja kein Vertrag.«
    »Scheiße, Gerald.«
    »Das kannst du laut sagen, Kumpel.«
    Lange Zeit herrscht Stille, während in meinem Kopf das hässliche laute Furzgeräusch widerhallt, mit dem der Ballon unseres hübschen Millionendeals in sich zusammenschrumpelt.
    »Wie wäre es, wenn wir eine Schauspielerin engagieren?«, frage ich schließlich.
    »Das war auch mein erster Gedanke, Bill«, sagt Gerald und schüttelt traurig den Kopf. »Allerdings müsste sie dafür 1.) absolut brillant sein, 2.) sich bis ins letzte Detail mit deinen Büchern auskennen, 3.) Sie könnte nie wieder ein anderes Engagement annehmen, 4.) Sie müsste Angela für den Rest ihres Lebens spielen, 5.) Wir wären dieser Frau auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und 6.) Was würde passieren, wenn die
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