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Verlorene Eier

Verlorene Eier

Titel: Verlorene Eier
Autoren: S Scarlett
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hat er sich vom letzten Vorfall, als Schüsse fielen, zügig erholt.)
    Amber presst sich die Faust aufs Herz und ringt sich ein Lächeln ab. »Hoffen wir auf ein Happy End«, meint sie nur.
    14
    Ich stehe Rücken an Rücken mit Philly auf einem nebligen Friedhof und denke über mein Leben nach. Die Sig Sauer muss eine besonders schwere Waffe sein, denn ich habe selbst mit zwei Händen Mühe, sie anständig zu halten. Philly versucht mich einzuschüchtern.
    »Es heißt, von einer Kugel aus einer .45er getroffen zu werden fühlt sich an, als hätte einem jemand mit dem Baseballschläger eine reingehauen«, stößt er zwischen den Zähnen hervor. »Wenn du den Aufprall spürst, kannst du von Glück sagen, weil es bedeutet, dass du nicht tot bist. Aber nur damit eines klar ist – ich versuche einen Bauchschuss. Dauert länger, bis man stirbt. Leberschuss, Bauchschuss. Für mich gibt’s da nicht so einen Riesenunterschied. Halbe Stunde, vielleicht eine dreiviertel, maximal. Hey, willst du nicht auch mal was sagen? Ich fühl mich hier allmählich einsam … Oh, jetzt kommt’s mir erst. Du pisst dir gerade in die Hose, stimmt’s?«
    Ich pisse mir nicht in die Hose, sondern denke an meinen Vater und daran, was er sagen würde, wenn er mich so sehen würde. Von dem Make-up und der Kostümierung einmal abgesehen, würde er es höchstwahrscheinlich gutheißen, dass ich für etwas einstehe, was mir am Herzen liegt. Du kannst nur dein Bestes geben, Bill … obwohl das bei Gott wohl nicht annähernd ausreichen wird.
    Ich muss an Amber denken. An jenen Abend, als sie spärlich bekleidet auf meinem Hotelbett gesessen und die Hände in ihrem Haar vergraben hatte.
    Ich liebe sie. Ich würde mein Leben für sie geben . Würde ich das wirklich tun?
    Wieso nicht?
    Schließlich habe ich wohl keine bessere Kandidatin an der Hand, oder?
    Mein Leben war also doch keine völlige Zeitverschwendung. Ich habe geliebt. Ich war verheiratet. Ich habe in einem Haus gelebt, das mir gehört. Ich habe Bücher geschrieben. Habe Urlaube gemacht. Bin Auto gefahren (zumindest bis zu diesem Vorfall mit dem Straßengraben). Okay, Kinder habe ich nicht, aber es gibt sowieso schon mehr als genug auf der Welt. Und der kleine Arthur ist mir allmählich ans Herz gewachsen.
    Dieser Friedhof in Shropshire ist im Grunde ein guter Ort, um meine Geschichte enden zu lassen. Jedenfalls besser als ein Altersheim. Und welchen besseren Grund zu sterben könnte man haben?
    Sie wissen schon – die Liebe.
    Ich denke an dieses »Ich«, das ausgelöscht werden wird, wenn Phillys Schuss sein anvisiertes Ziel finden wird. Hat Gerald recht? Bin ich wirklich nur eine Sammlung von Geschichten, die ich mir über mich selbst erzählt habe, untermalt von all den Geschichten der anderen? Bin ich es wert, dass man um mich trauert wie vielleicht um ein Buch, das einem viel Freude bereitet hat, nun jedoch zu Ende gelesen ist?
    Hm. Vielleicht hatte Philly ja recht. Ich spüre etwas Warmes, Feuchtes im Schritt.
    Es stimmt. Es gibt für alles ein erstes Mal, einschließlich ins Gras zu beißen.
    15
    »Eins.«
    Wir setzen uns in Bewegung.
    »Zwei.«
    Natürlich. Es ist alles nur ein Traum. Genau so etwas erlebt man doch im Traum. Also tue ich, was ich immer im Traum tue: Mit dem letzten klaren Fünkchen Bewusstsein befehle ich mir aufzuwachen. Auf diese Weise bin ich bereits zahllosen nächtlichen Zwickmühlen entkommen.
    »Drei.«
    Es ist kein Traum.
    »Vier.«
    Sollte jetzt nicht mein Leben wie ein Film vor meinem geistigen Auge ablaufen? Oder muss ich erst eine Kugel kassieren, um den autobiografischen Abspann in Gang zu setzen? Ein nobler Gedanke wäre jetzt gut. Groteskerweise fallen mir nur die letzten Worte des mexikanischen Revoluzzers Pancho Villa ein, als er sterbend in den Armen seiner Kameraden lag: »Erzählt ihnen, ich hätte etwas gesagt.«
    »Sechs.«
    Was ist aus der Fünf geworden?
    »Sieben.«
    Mal ernsthaft. Was ist aus der Fünf geworden. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Scheinbar völlig unbeeindruckt schlurft Philly dahin, die Sig lässig in der Hand baumelnd, als ginge er aufs Klo.
    »Acht.«
    Inzwischen kann ich mein Herz, das die ganze Zeit über wie verrückt geklopft hat, sogar hören. Ich registriere eine Art Zittern, ein Vibrieren, das vorhin nicht da gewesen ist. Erleide ich gleich einen Herzinfarkt? Außerdem passiert irgendetwas Seltsames mit dem Licht um mich herum. Es scheint plötzlich heller zu werden. Das Rauschen des Blutes in meinen
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