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Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Amanda Quick
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angenehmere Köder verschmäht habe.«
    »Das hat man mir berichtet.«
    Er ging ihr voran in den glitzernden, von Menschen wimmelnden Ballsaal. Wie bereits zuvor fiel Victoria erneut Stonevales eigentümlich balancierter, doch zugleich unregelmäßiger Gang auf. Die elegante schwarze Abendgarderobe, korrekt gebundene Krawatte, enganliegende Reithosen und polierte Stiefel, versteckte nicht das Hinken, das die Bewegung seines linken Beins behinderte.
    »Was genau hat man Ihnen berichtet, Graf?« fragte Victoria.
    Er zuckte mit den Schultern. »Man sagt, Sie hätten wenig Interesse an der Ehe, Miss Huntington.«
    »Ihre Informanten haben Unrecht.« Sie lächelte schwach. »Ich habe nicht nur wenig, sondern absolut kein Interesse an der Ehe.«
    Stonevale warf ihr einen wohlberechneten Seitenblick zu. »Wie bedauerlich. Wenn Sie einen Gatten und eine Familie hätten, die Ihre Zeit am Abend in Anspruch nähmen, hätten Sie es vielleicht nicht nötig, sich mit derart riskanten Abenteuern wie dem für heute abend geplanten die Zeit zu vertreiben.«
    Victorias Lächeln verstärkte sich. »Ich bin sicher, daß die Art von Abenteuer, die ich für den heutigen Abend geplant habe, weit unterhaltsamer ist, als die abendlichen Pflichten einer Ehefrau es sind.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Die eigene Erfahrung, Graf. Meine Mutter wurde wegen ihres Vermögens geheiratet, und diese Ehe zerstörte sie. Auch meine liebe Tante wurde wegen ihres Geldes geheiratet. Sie hatte jedoch das Glück, daß mein Onkel die Güte besaß, früh bei einem Jagdunfall ums Leben zu kommen. Doch da ich nicht auf ähnliches Glück hoffen darf, ziehe ich es vor, gar nicht erst das Risiko einer Ehe einzugehen.«
    »Fürchten Sie nicht, daß Sie einen wichtigen Teil im Leben einer Frau versäumen?« äußerte er.
    »Nicht im geringsten. Ich habe bisher nichts an der Ehe entdeckt, was sie reizvoll machen könnte.« Victoria öffnete ihren vergoldeten Fächer, um ein Schaudern zu verbergen. Erinnerungen an die gelegentlichen kleinen Grausamkeiten und betrunkenen Gewalttaten ihres Stiefvaters gegen ihre Mutter waren allgegenwärtig. Selbst der Glanz des Ballsaals konnte sie nicht gänzlich verdrängen.
    Sie fächerte sich ein-, zweimal schwach zu in der Hoffnung, Stonevale würde den Eindruck gewinnen, sie sei extrem von der Unterhaltung gelangweilt. »Wenn Sie mich nun entschuldigen wollen, Graf, ich sehe gerade eine Freundin, mit der ich sprechen muß.«
    Er folgte ihrem Blick. »Ah, ja, die unerschrockene Annabella Lyndwood. Zweifellos kann sie es ebenfalls nicht erwarten, den Plan für heute abend zu besprechen. Da Sie ja entschlossen sind, nicht zu kooperieren, scheint es, als müsse ich die Einzelheiten selbst herausfinden. Doch keine Angst, Strategiespiele sind meine Stärke.« Stonevale beugte seinen Kopf kurz über Victorias Hand. »Bis später, Miss Huntington.«
    »Ich bete, daß Sie einen unterhaltsameren Zeitvertreib finden werden als uns zu begleiten.«
    »Das ist eher unwahrscheinlich.« Das schwache Lächeln des Grafen wandelte sich in ein kurzes, boshaftes Grinsen, bei dem seine kräftigen weißen Zähne sichtbar wurden.
    Mit einem eleganten Wirbeln ihrer goldgelben Seidenröcke wandte sich Victoria ab, ohne ihm die Genugtuung eines letzten Blickes zu gönnen. Dieser Mann war nicht nur potentiell gefährlich, er war unerträglich.
    Victoria unterdrückte ein leichtes Stöhnen, als sie durch die Menge fegte. Warum war sie nur so naiv gewesen? Nie hätte sie dem Grafen gestatten sollen, sie heute abend in den Spielsalon zu locken. Schließlich gehörte es sich für eine Dame nicht unbedingt, mit einem Mann bei einer derartigen Veranstaltung Karten zu spielen. Doch sie hatte Abenteuern noch niemals widerstehen können, und dieser abscheuliche Mensch hatte das anscheinend fast sofort gespürt. Die Schwäche gespürt und ausgenutzt. Sie durfte das niemals vergessen.
    Dabei war sie durch nichts gewarnt worden. Schließlich war Stonevale ihr von keiner Geringeren als Jessica Atherton ordentlich vorgestellt worden.
    Jedermann wußte, daß Lady Atherton eine Frau ohne Tadel war, ein wahrer Ausbund an Tugend. Schlank, dunkelhaarig und blauäugig; die Vicomtesse war nicht nur jung, sanft und einfach liebreizend, sondern zugleich von gebührender Bescheidenheit, unfehlbarer Kultiviertheit, überragendem Ansehen, eine hartnäckige Verfechterin der Regeln des Anstands. Mit anderen Worten, sie hätte gewiß keinen ihrer weiblichen Gäste mit einem
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