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Verhängnisvolles Gold

Verhängnisvolles Gold

Titel: Verhängnisvolles Gold
Autoren: Carrie Jones
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liegen. Die Schneeflocken fallen nass und schwer auf mich herab.
    »Gram«, beginne ich, als ich mit beiden Füßen auf der Veranda stehe. »Es tut mir so leid. Es …«
    Da breitet sie die Arme aus und stürzt mit großen Schritten auf mich zu. Sie ist immer noch Mensch, ganz und gar Mensch, und zieht mich an sich, ganz ohne Wertiger-Zorn, sondern voller Liebe. Mein Gesicht schmiegt sich an den weichen Flanell. Ihre Hand geht hinauf zu meinem Haaren: »Kein Wort, Zara. Ich bin einfach nur froh, dass du wieder da bist.«
    Sie zieht mich ins Haus, drängt mich liebevoll auf das Sofa und lümmelt sich neben mich. Unsere Beine berühren sich und wir reden lange miteinander. Während ich ihr alles erzähle, knurrt sie immer wieder. Sie ist enttäuscht von mir, das weiß ich, aber komischerweise ist sie auch stolz auf mich.
    Nach ein paar Stunden gehen wir nach oben in unsere Schlafzimmer. Auf dem Flur gibt sie mir einen Gutenacht-kuss: »Du bist wie dein Vater.«
    Ich weiche zurück und stoße mit dem Kopf gegen ein Bild, das mich als Dreijährige in einem Prinzessinnen-Ballerina-Kleid zeigt. »Das ist gemein.«
    »Nicht wie dein biologischer Vater, dieser Elf.« Sie spuckt das Wort Elf verächtlich aus. Ihre Augen blitzen. »Nein, du bist wie dein eigentlicher Vater, mein Sohn. Dickköpfig. Freundlich. Immer alle retten wollen. Närrisch. Süß.«
    »Oh …« Mein Stiefvater, der Vater, der mich aufgezogen hat, starb im vergangenen Jahr an einem Herzinfarkt, der möglicherweise ausgelöst wurde, weil er einen Elf gesehen hatte. Das war ein Grund, warum ich hier in Maine bei seiner Mutter, meiner Großmutter Betty gelandet bin, während meine Mutter in Charleston ihren Arbeitsvertrag vollends erfüllt.
    Betty rückt das Bild wieder gerade, das ich mit dem Kopf angestoßen habe, und gluckst: »Ich mag es, wenn du lächelst.«
    »Obwohl ich ein Elf bin.« Ich bedaure, dass ich das gesagt habe, kaum dass die Worte meinen Mund verlassen haben.
    Sie packt mich an den Schultern und sagt auf einmal ganz ernst in strengem Ton: »Für mich wirst du niemals ein Elf sein, sondern immer meine Enkelin Zara. Das bist und bleibst du, verdammt! Vergiss das nicht. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse macht genau so wenig aus, wer wir sind, wie die Zugehörigkeit zu einer Nation oder einem Geschlecht. Was wir tun, welche Entscheidungen wir treffen, das bestimmt, wer wir sind.«
    Es fällt mir schwer, ihr in die Augen zu sehen. Genau das habe ich immer geglaubt, aber irgendwie vergesse ich es immer, seit ich mich verwandelt habe. Als würden die Lebensregeln, die ich für alle anderen aufstelle, für mich nicht mehr gelten.
    »Okay«, flüstere ich.
    Sie atmet ein bisschen stoßweise, als sie sich zu mir herüber beugt und mich noch einmal auf die Stirn küsst. Ich glaube nicht, dass sie mich je zuvor so oft geküsst hat. »Und jetzt schlaf gut. Morgen früh machen wir uns dann Gedanken darüber, wie wir die bösen Elfen aus unserer Stadt vertreiben.«
    Die Schläge der Uhr zeigen an, dass wieder eine Stunde vergangen ist, und ein Schauder durchfährt mich.
    »Und wenn er tot ist, richtig tot?« Ich atme tief ein, um gegen die Tränen anzukämpfen. »Für immer tot, weißt du? Und ich mich umsonst verwandelt habe?«
    Sie hebt die Augenbrauen, wahrscheinlich erstaunt von meinem abrupten Themenwechsel. Die Uhr unten schlägt immer noch Mitternacht. »Das glaubst du doch nicht, oder?«
    Ich schüttle nachdrücklich den Kopf, so wie kleine Kinder das tun, wenn sie sich von etwas überzeugen wollen, das ihnen wichtig ist. »Cassidy hat mir mit Hilfe ihrer Elfenfähigkeiten gezeigt, dass Nick lebt. Er lag in einem Bett. Bewegt hat er sich nicht, aber er hat gelebt. Wir alle haben es gesehen. Es war echt.«
    Bettys Stimme klingt fest: »Dann sprich es nicht aus. Wenn du es aussprichst, bekommt es Bedeutung. Gute Nacht.«
    Betty ist wohl sauer auf mich, denn das ist selbst für ihre Verhältnisse abrupt. Ich gehe in mein Zimmer und ziehe das alberne schicke Kleid aus, das Issie und Cass mir aufgezwungen haben. In Boxershorts aus Flanell und einem Luka-Bloom-T-Shirt lege ich mich ins Bett. Ich ziehe mir die Decke bis ans Kinn und schaue zu dem Amnesty-International-Poster an der Zimmerdecke hinauf. Nebenan schnieft Betty. Sie weint leise, damit ich sie nicht höre, aber ich bin jetzt ein Elf. Ich höre sie. Ich höre und weiß so viele Dinge, die ich lieber nicht hören oder wissen möchte … die Schwäche im Innern von Menschen, das leise
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