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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
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ersten eine Verbindung zu sehen, ganz andere Vorgehensweise.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich sag das so, offiziell weiß ich aber gar nichts. Carol ist nicht mit den Fällen befasst, und selbst wenn es ihre wären, würde sie nichts darüber sagen.«
    »Aber Ihre Zeitungsschmiererin stellt es anders dar?«
    »Sie behauptet, es gebe eine charakteristische Gemeinsamkeit. Trotzdem habe ich nichts damit zu tun. Selbst wenn sie entscheiden sollten, dass sie ein Profil brauchen, würden sie sich nicht an mich wenden.«
    »Trottel. Dabei sind Sie der beste Profiler, den wir haben.«
    Tony leerte sein Glas. »Das mag stimmen. Aber James Blake hält interne Lösungen für billiger, und außerdem behält er dann die Kontrolle.« Er lächelte ironisch. »Ich verstehe, wieso. An seiner Stelle würde ich mich wahrscheinlich auch nicht beauftragen. Bringt mehr Ärger als Nutzen.« Er stieß sich vom Tisch ab und erhob sich. »Und in diesem heiteren Sinne begebe ich mich jetzt auf die Schnellstraße.«
    »Wünschten Sie nicht einerseits, Sie wären da draußen am Tatort?« Ambrose trank sein zweites Glas aus und stand auf, blieb aber absichtlich etwas entfernt stehen, damit er im Vergleich zu seinem Bekannten nicht so groß wirkte.
    Tony überlegte. »Ich bestreite nicht, dass die Menschen, die so etwas tun, mich faszinieren. Je gestörter sie sind, desto größer ist mein Verlangen herauszufinden, wie sie ticken. Und wie ich ihnen helfen kann.« Er seufzte. »Aber ich bin es leid, die Endergebnisse zu betrachten. Heute Abend gehe ich nach Haus und zu Bett, Alvin, und glauben Sie mir, ich würde nirgendwo lieber sein.«

3
    D as sicherste Versteck war immer in aller Öffentlichkeit. Die Leute nehmen immer nur wahr, was sie zu sehen erwarten. Das gehörte zu den Wahrheiten, die er erkannt hatte, lange bevor sein Leben durch die Gefängnismauern eingeschränkt wurde. Aber er war schlau und entschlossen; nur weil seine äußere Umgebung ihn eingeschränkt hatte, hörte er nicht auf zu lernen.
    Manche Leute machten dicht, sobald sie hinter Gittern saßen. Sie ließen sich durch ein weniger chaotisches Leben verführen, trösteten sich mit der Vorhersehbarkeit. Einer der weniger bekannten Aspekte des Lebens hinter Gittern war das häufige Vorkommen von Zwangsneurosen. Die Gefängnisse waren voll von Männern und Frauen, die in immer wiederkehrenden Abläufen Trost fanden. In der Freiheit wäre das für sie undenkbar gewesen. Jacko Vance hatte sich gleich von Anfang an gegen die Verführung durch die Routine gewappnet.
    Allerdings hatte es anfangs für ihn nicht viel alltägliche Routine gegeben. Gefangene mögen nichts lieber, als einen berühmten Mitgefangenen fertigzumachen. Als George Michael festgenommen wurde, grölten alle im gesamten Trakt die ganze Nacht lang seine größten Hits und ließen ihn nicht schlafen. Dabei änderten sie je nach Stimmung die Texte ab. Als Vance kam, pfiffen sie, sobald sie für die Nacht eingeschlossen waren, die Titelmelodie seiner TV-Sendung, immer weiter wie eine Endlosschleife. Als Vance’s Visits ihnen langweilig wurde, fingen die Fußballgesänge über seine Frau und ihre Freundin an. Es war eine unschöne Begrüßung, aber sie hatte ihn nicht aufgeregt. Am nächsten Morgen trat er so gefasst und ruhig wie am Abend zuvor auf den Flur.
    Es gab einen Grund für seine Gelassenheit. Von Anfang an war er entschlossen, wieder freizukommen. Er wusste, dass es Jahre dauern würde, und hatte sich gezwungen, dies zu akzeptieren. Er hatte legale Möglichkeiten in Betracht gezogen, war aber nicht überzeugt, dass sie funktionieren würden. Also hatte er so bald wie möglich Plan B ausgearbeitet, damit er etwas hatte, auf das er sich konzentrieren und auf das er hinarbeiten konnte.
    Die gelassene Grundeinstellung war der erste Schritt des Weges. Er musste sich den Respekt der anderen verdienen, ohne dass es so aussah, als wolle er jemandem ins Gehege kommen, besonders weil alle wussten, dass er Teenager getötet hatte und damit schon fast ein Kinderschänder war. All das war nicht leicht gewesen, und er hatte dabei hin und wieder Fehler gemacht. Aber Vance hatte draußen noch Kontakte, die am Glauben an seine Unschuld festhielten. Und er war durchaus gewillt, diese Kontakte auf jede Weise zu nutzen. Die Alphamännchen im Knast bei Laune zu halten hieß oft, die Rädchen draußen zu schmieren. Vance hatte immer noch genug Schmiere, wenn es darauf ankam.
    Unauffälligkeit war ein weiteres wichtiges Element
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