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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Val McDermid
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dem schrecklichen Unfall, der ihn seiner Träume von einer olympischen Medaille und der Frau, die er liebte, beraubt hatte, das hatte ihm eine Willenskraft verliehen, die nur wenige besaßen. Das jahrelange Training, um seinen Spitzenplatz zu behaupten, hatte ihn gelehrt, wie wichtig Durchhalten ist. Heute Abend würde sich all dies auszahlen. Noch ein paar Stunden – und all das würde sich gelohnt haben. Jetzt waren nur noch die letzten Vorbereitungen zu treffen.
    Und dann würde er ein paar Leuten eine Lektion erteilen, die sie nie vergessen würden.

4
    E s war schwierig, das Opfer zu sehen. Überall standen die Kollegen von der Spurensicherung in ihren weißen Anzügen herum. In Detective Superintendent Pete Reekies Augen war das aber nicht schlimm. Er war nicht empfindlich, denn er hatte im Lauf der Jahre viel Blut gesehen. Den Magen drehte ihm das schon lange nicht mehr um. Die Auswirkungen noch so brutaler Gewalt konnte er aushalten. Aber wenn er sich mit Perversität konfrontiert sah, tat er alles, um die Toten nicht so anschauen zu müssen, dass sich die zerstörten und entwürdigten Körper in sein Gedächtnis einbrannten. Detective Superintendent Reekie mochte es nicht, wenn ein Psychopath es schaffte, sich in seinem Kopf festzusetzen.
    Es war schon schlimm genug, dass er von seinem Detective Inspector eine telefonische Zusammenfassung des Tatbestands hatte anhören müssen. Reekie war dabei gewesen, mit einer Dose Stella-Bier in der einen und einer Zigarre in der anderen Hand vor seinem riesigen Flachbildschirm einen sehr gemütlichen Abend zu verbringen. Als sein Telefon klingelte, sah er gerade zu, wie sich Manchester United im Spiel gegen die eleganteren Rivalen in der Europameisterschaft an sein einziges Tor klammerte.
    »Hier DI Spencer«, meldete sich der Anrufer. »Es tut mir leid, dass ich Sie stören muss, Sir, aber wir haben hier einen schlimmen Fall, und ich dachte, Sie würden wahrscheinlich wollen, dass wir Sie informieren.«
    Reekie hatte gleich, nachdem er die Leitung des nördlichen Bezirks von Bradfields Kriminalpolizei übernommen hatte, seinen Untergebenen klargemacht, dass er niemals durch einen Fall auf dem falschen Fuß erwischt werden wolle, den die Medien in einen publikumswirksamen Feldzug verwandeln konnten. Deshalb wurde er jetzt dummerweise fünfzehn Minuten vor dem Schlusspfiff von diesem wichtigen Spiel weggeholt. »Hat es nicht Zeit bis morgen?«, fragte Reekie, wobei er die Antwort schon wusste, bevor er die Frage richtig ausgesprochen hatte.
    »Ich glaube, Sie sollten herkommen«, sagte Spencer. »Wieder eine Prostituierte, und mit der gleichen Tätowierung am Handgelenk, sagt der Doktor.«
    »Sie meinen, wir haben es mit einem Serienmörder zu tun?« Reekie gab sich keine Mühe, seine Skepsis zu unterdrücken. Seit Hannibal Lecter wollte jeder verdammte Kripobeamte einen Serientäter fassen.
    »Schwer zu sagen, Sir. Ich habe die ersten beiden nicht gesehen, aber der Arzt sagt, der Fall sieht genauso aus. Nur …«
    »Reden Sie schon, Spencer.« Dabei stellte Reekie bereits bedauernd seine Bierdose auf den Beistelltisch neben seinem Sessel und drückte die Zigarre aus.
    »Die Vorgehensweise … die ist, also … ziemlich abweichend im Vergleich zu den beiden anderen.«
    Reekie seufzte, während er rückwärts aus dem Raum ging, mit den Gedanken noch halb bei dem trägen Mittelstürmer, der auf einen perfekt gezielten Pass zutrottete. »Was soll das heißen, verdammt noch mal, Spencer, ›ziemlich abweichend‹?«
    »Sie ist gekreuzigt worden. Dann wurde das Kreuz umgedreht und ihre Kehle durchgeschnitten. In dieser Reihenfolge, laut Arzt.«
    Spencer war relativ kurz angebunden. Reekie wusste nicht, ob Spencer selbst geschockt war oder damit seinen Chef nervös machen wollte. Es hatte jedenfalls bei Reekie die entsprechende Wirkung ausgelöst. Er spürte, wie ihm etwas Bitteres in die Kehle stieg und Alkohol und Rauch sich mit Galle vermischten.
    Er wusste also schon, bevor er das Haus verließ, dass er sich dieses Opfer nicht genauer anschauen wollte. Jetzt stand Reekie mit dem Rücken zu dem schrecklichen Bild und hörte Spencer zu, der aus den schon gesammelten Informationsstückchen etwas Fassbares zu machen versuchte. Als Spencer der Stoff ausging, hakte Reekie ein. »Der Arzt ist sich also sicher, dass wir hier eine Reihe von drei Straftaten haben, die zusammengehören?«
    »Soweit wir wissen. Ich meine, es könnten auch mehr sein.«
    »Genau. Ein verdammter
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