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Vergeltung am Degerloch

Vergeltung am Degerloch

Titel: Vergeltung am Degerloch
Autoren: Christine Lehmann
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Erfahrungen und Ideen der anderen. »Liegst du oben oder unten?«
    Gabi lächelte etwas. »69.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie wandte sich abrupt ab. Vielleicht auch, weil Zilla aus der Küche kam und ihr einen Teller mit Salat hinstellte.
    Zilla beugte sich über die Theke und begrüßte mich mit Küsschen. Petra hantierte mit den Flaschen und blickte kiebig. Sie war Zillas Freundin. Zilla war eine feine Dicke mit Igelhaarschnitt, vollen Lippen und einem Mutterblick. Sie war seit fünf Jahren geschieden und Mutter zweier Kinder, die sie dem Mann überlassen hatte. Seitdem führte sie das Sarah und lebte in einer Altbauwohnung über dem Café. Vor einem Jahr hatte sich Petra in sie verhebt, was ich durchaus verstand. Petra war klein, zerbrechlich und jung. Die gerade ausgestandenen Kräche mit den Eltern standen ihr noch wie Schweißperlen auf der Stirn. Und sie war rasend eifersüchtig. Dass ich nie was mit Zilla gehabt hatte, noch haben würde, konnte sie höchstens mit dem Verstand begreifen. Tapfer lächelnd nickte sie mir zu, wenn ich den Laden betrat, doch ließ sie Zilla und mich nie aus den Augen. Auch Gabi beobachtete uns. Und an einem der Tische saß inmitten von rauchenden und essenden Freundinnen eine Rothaarige, deren grünem Blick ich mittlerweile auch schon mehrmals begegnet war.
    »Sag mal«, sagte Zilla, »wer von euch ist denn auf die schwachsinnige Idee gekommen, die Amazone eine Zeitschrift von Frauen für Menschen zu nennen? Der Mensch ist männlich.«
    »Louise natürlich«, sagte ich.
    Zilla kniff die Lippen zusammen. Sie mochte meine Chefin Louise nicht. Beide kamen aus der achtundsechziger Bewe gung. Aber während Zilla sich zunächst in einer bürgerlichen Ehe verzettelte, hatte Louise am feministischen Diskurs gebastelt und die Frauenzeitschrift Amazone zu einem überregional bedeutsamen Blatt ausgebaut. Mittlerweile rechnete sich Zilla zu den autonomen Lesben und hielt Louise vor, sich beim patriarchalischen Establishment anzubiedern, weil sie sich von einer Talkshow zur nächsten weiterreichen ließ.
    »Und was sollen die Kontaktanzeigen«, kritisierte Zilla weiter, »Sie sucht Ihn?«
    »Louise sagt«, sagte ich, »nicht alle Amazonen seien Lesben. Und ein Mann, der die Amazone liest, sei allemal besser geeignet für eine Amazone, als einer, der den SPIEGEL liest.«
    »Wann hörst du endlich auf, für Louise zu schreiben?«
    »Ich habe gerade erst angefangen«, sagte ich.
    »Schade, dass es die Glamour nicht mehr gibt«, bemerkte Zilla. »Übrigens, Gabi hat ganz nette Artikel geschrieben.«
    Gabi blickte absichtlich weg. Zilla schmunzelte.
    »Stuttgart hält keine zwei Emanzenblätter aus«, behauptete ich. »Ich habe die letzten drei Monate wieder nur Dreiviertel meines Gehalts bekommen. Wir brauchen halt auch männli che Leser.«
    »Wir kommen sehr gut ohne männliche Gäste aus«, sagte Zilla.
    Gabi wandte mir jetzt den Rücken zu. Sie hatte einen quadratischen Hintern. Die schwarzen Jeans waren zu neu, um sich sexy anzupassen. Es gab zu viele Reibungspunkte und Leerstellen unter dem Gürtel, der die Männerhosen in der Taille zusammenzurrte.
    Zilla lächelte weise. »Hast du dich immer noch nicht entschieden?«
    »Na ja«, sagte ich, »wenn ich nicht angemacht werden will, gehe ich ins Jenseits .«
    Der Unterschied zwischen dem Schwulencafé und dem Sa rah war, dass die Tunten Frauen hereinließen, die Sarahs aber keine Männer. Unlängst hatte es sogar Krach gegeben, weil eine Frau ihren männlichen Säugling mitgebracht hatte.
    Das kleine Frauencafé hatte seinen Eingang in der Johannesstraße. Auch an einem Sonntag füllten die Gästinnen – wie Zilla zu sagen pflegte – wenigstens vier der sechs runden Tische und die paar Plätze an der Bar. Es gab genügend Frauen, die sonntags auch mal ohne ihren Freund ausgehen wollten. In einem zweiten Raum fanden gelegentlich Vorträge statt, die durchschnittlich zehn Frauen anlockten. Die Atmosphäre war lila, schwarz und silberspiegelig. Auf der Speisekarte standen damals Milchshakes, Mondsalate und Müslis.
    An dem Tisch mit der Rothaarigen, die ihre Augen nicht von mir lassen konnte, saßen drei Studentinnen, deren hübsche Langhaarköpfe und beringte Finger immer wieder in die Blicklinie zwischen der Rothaarigen und mir gerieten. Wenn der Weg wieder frei war, senkte sie die grünen Augen auf ihren Salat.
    Zilla verschwand in die Küche.
    Bei Petra bestellte ich einen Calvados. Sie sah mich immer an, als hätte sie Grund, Angst vor
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