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Vergeben, nicht vergessen

Titel: Vergeben, nicht vergessen
Autoren: Catherine Coulter
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roch frisch, als ob sein Körper innerlich rein wäre.
    Er hörte ein Geräusch.
    Ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Es musste ein Tier sein. An die Eulen und Rotfalken, an die Backenhörnchen, Stinktiere und die Wölfe hatte er sich gewöhnt. Dies aber war ein anderes Geräusch. Hoffentlich wollte sich nicht ein weiteres menschliches Lebewesen auf diesem Hügel niederlassen. Seine Hütte stand auf der erhöhten Ebene ganz allein. Es gab noch andere Hütten, doch sie lagen etwas tiefer und mindestens eine halbe Meile entfernt. Außer im Sommer zum Wandern kam niemand bis hierher. Jetzt war es Mitte April. Noch gab es keine Wanderer. Er hob erneut seine Axt. Mitten in der Bewegung hielt er inne, als er das Geräusch erneut vernahm.
    Es hörte sich wie ein verzweifelter Schrei an - von einem jungen Kätzchen? Aber das wäre absurd. Dennoch zog er sich sein Flanellhemd und die Daunenjacke über. Er beugte sich vor und hob die Axt auf. Das Gewicht fühlte sich gut an. Hatte ein Fremder seinen Berg erklommen?
    Er stand bewegungslos und ließ die Stille auf sich wirken, bis er mit ihr zu verschmelzen schien. Er fühlte die kühle Nachmittagsbrise in seinem Haar. Dann hörte er es wieder, ein leises, wimmerndes Geräusch, etwas undeutlicher dieses Mal, mittendrin unterbrochen, als ob man es gespalten habe.
    Als ob das Lebewesen dem Tod nahe sei.
    Er rannte über die flache Wiese vor seiner Hütte, rannte in den Kiefernwald, der seine hoch gelegene Wiese umsäumte, verlangsamte wegen des Unterholzes und hoffte, sich in die richtige Richtung zu bewegen, war sich aber noch während des Rennens unsicher.
    Er hörte nur seinen eigenen Atem. Spärlich drangen Sonnenstrahlen durch die dichten Bäume. Es war jetzt später Nachmittag und im dichten Wald schon fast dunkel. Keinerlei Geräusche. Nichts. Er hörte ein gleitendes Scharren. Er wirbelte herum und erblickte eine Prärieklapperschlange, die sich ihren Weg unter einen moosbewachsenen Felsen bahnte. Selten verirrten sich Schlangen in diese Höhe der Berge.
    Er verharrte ebenso reglos wie die Bäume um ihn herum. Er spürte einen Krampf in seinem rechten Oberarm. Langsam setzte er die Axt auf dem Boden ab.
    Plötzlich hörte er erneut das Geräusch, ziemlich in der Nähe, erstickt und schwach, ein Geräusch, das fast wie sein eigenes Echo schien, wie eine Erinnerung an etwas, was bereits vergangen war.
    Mit weit ausgreifenden Schritten und die Augen geradeaus gerichtet, ging er weiter und kam an eine kleine Lichtung. Dort schien die Nachmittagssonne immer noch hell. Üppiges hohes Gras wogte im Wind. Taubenblaue Akelei, das Wahrzeichen Colorados, blühte wild und zart und hieß jetzt schon den Frühling willkommen. Es war ein schöner Platz und ei-ner, den er bisher auf seinen täglichen Wanderungen noch nicht entdeckt hatte.
    Er blieb stehen, sein Gesicht lauschend zu der schräg einfallenden Sonne erhoben. Ein Eichhörnchen kletterte einen Baum hinauf, ein eindeutiges Geräusch, das er schnell einzuordnen gelernt hatte. Das Eichhörnchen huschte einen dünnen Ast entlang, der sich dabei nach unten bog, wobei die Blätter unter dem Gewicht und der Bewegung raschelten.
    Dann war nichts mehr, außer Stille.
    Die Sonne würde nicht mehr lange scheinen. Die Schatten begannen bereits lang zu werden und schluckten das Licht. Schon bald würde der Wald so dunkel sein wie Susans Haar. Nein, er wollte nicht an Susan denken. Es war schon lange her, dass er an Susan gedacht hatte. Es war Zeit nach Hause zu gehen, zurück zu seiner Hütte, wo er im Kamin bereits am Morgen das Holz ausgelegt hatte, das nur noch auf ein Streichholz wartete. Im Schichten von Holz in Kamin und Herd hatte er sich einiges Geschick erworben. Er würde sich ein paar frische Tomaten aufschneiden und etwas von dem Eisbergsalat, den er vor zwei Tagen bei Clement gekauft hatte, darunter mischen und dazu etwas Gemüsesuppe aufwärmen. Er trat wieder in den Kiefernwald.
    Aber was hatte er gehört?
    Es war jetzt dunkler als noch vor zwei Minuten. Er musste vorsichtig laufen. Sein Ärmel verfing sich in einem Ast. Um sich loszumachen, musste er die Axt abstellen.
    In diesem Augenblick bemerkte er zu seiner Rechten etwas Gelbes. Einen Augenblick starrte er das helle Gelb an. Es bewegte sich nicht, genauso wenig wie er.
    Schnell hob er seine Axt auf. Er bewegte sich auf den gelben Flecken zu und strengte seine Augen an zu erkennen, um was es sich handelte.
    Es war ein Häufchen Etwas.
    Aus einem Meter Entfernung erkannte
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