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Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Titel: Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Autoren: Juliet Landon
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Bei Tagesanbruch hatten sie sich, frierend vor Schock und Kälte, auf den Weg zur Burg gemacht. Sir Joseph hatte sie gefunden, jener Mann, der nicht nur letzte Nacht anderen unschuldigen Menschen ein ähnlich grauenhaftes Schicksal beschieden hatte. Hatte er endlich Rache an den Mördern seines Sohnes geübt? War er bei diesem Vergeltungsschlag gegen seine Feinde verwundet worden?
    Seit jenem grauenvollen Schicksalsschlag bemühte Ebony sich darum, ihren kleinen Sohn die tragischen Ereignisse vergessen zu machen, und gab ihm ausweichende Antworten, wenn er Fragen nach seinem geliebten Vater stellte. Seit einiger Zeit fragte er nur noch selten nach ihm, die Schreckensbilder verfolgten ihn aber immer noch in seinen Albträumen. Seine Ängste aber wurden vom Großvater genährt, dem jedes Einfühlungsvermögen in die zarte Kinderseele fehlte und der ihm damit drohte, Räuber würden ihn nachts holen, wenn er nicht schleunigst einschlief. Damit erreichte der herzlose Mann allerdings genau das Gegenteil, und der Junge weigerte sich, allein zu schlafen. Und nun befand sich Sam in den Händen von Unholden, die sich als seine Freunde ausgaben. Obwohl Ebony sich auf einen schändlichen Handel mit den Banditen eingelassen hatte, sah sie nichts Ehrenrühriges darin, diesen Sir Alex, der sie zweifellos an ihre Zusage binden würde, zu überlisten.
    Castle Kells war nie zuvor überfallen worden, und sie hätte nie damit gerechnet, dass so etwas geschehen könnte. Die wehrhafte Burg thronte hoch auf einem Felsen über dem See und war von hohen Bergen dahinter geschützt. Außerdem unternahm Sir Joseph selbst Raubzüge und versetzte die ganze Region in Angst und Schrecken. Nun aber war er durch seine Verletzungen außer Gefecht gesetzt, und Ebony hatte sich seit drei Jahren nicht so schutzlos und ratlos gefühlt.
    Sie nahm das verrutschte Netz von ihrem Haar, steckte es in den Beutel an ihrem Gürtel und zwang sich, obgleich sie zitterte, den dunklen Flur entlangzugehen, um nach Sir Joseph zu sehen. In der Annahme, Sir Alex habe das Ausmaß seiner Verletzungen übertrieben, war sie nicht auf den Anblick des zerschundenen Mannes gefasst, der reglos auf dem Tisch in der Schreibstube desVerwalters lag. Die Pergamentrollen waren achtlos zu Boden geworfen und von verkohlten Stofffetzen zerknittert und beschmutzt worden.
    „Meg … ach Meg!“ flüsterte sie tonlos. „Es tut mir so Leid.“
    Megs junges, hübsches Gesicht war beinahe so bleich wie das ihres Vaters, der Blick ihrer blauen Augen tief bekümmert über die grässlichen Verstümmelungen ihres Vaters und Beschützers. „Heute ist der erste Mai“, sagte sie leise. „Ein Tag, der uns Glück bringen sollte. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag so endet, als wir heute morgen …?“ Ihre Stimme brach, sie breitete die Arme aus und ließ sie hilflos sinken. Die sonst so lebendige, lebenstüchtige junge Frau, die so schnell nichts aus der Ruhe bringen konnte, wirkte völlig verstört. Unter der Zucht eines strengen Vaters aufgewachsen, der seiner Tochter keinerlei Freiheiten gestattete, und durch die unruhigen Zeiten zu einem Leben innerhalb der Burgmauern gezwungen, hatte die vierundzwanzigjährige Meg sich einen Panzer unerschütterlicher Selbstbeherrschung zugelegt. Nun aber erlebte Ebony ihre Schwägerin zum ersten Mal in völliger Verzweiflung.
    Sie legte ihre Arme um Meg und streichelte sie. „Beruhige dich, meine Liebe“, sagte sie leise tröstend. „Still. Es wird alles wieder gut. Wir stehen das gemeinsam durch.“ Über Megs Schulter hinweg gewahrte sie Bruder Walters mürrisches Gesicht, der den Kopf zweifelnd hin und her wiegte, eine Gewohnheit, die er sich angeeignet hatte, ob Grund dafür bestand oder nicht. Er war Sir Josephs Priester und Leibarzt, und dies war vermutlich das erste Mal, dass er seinen eigensinnigen Herrn verarztete, ohne mit ihm in Streit zu geraten.
    Seine Schwarzseherei hatte die sonst so zuversichtliche Meg offensichtlich angesteckt. „Mag sein“, sagte sie mutlos. „Aber Vater wird es nicht überstehen. Sieh ihn dir nur an.“
    Der bewusstlose Sir Joseph wies am ganzen Körper furchtbare Verbrennungen auf, und Ebony begriff erst jetzt, warum Sir Alex befürchtet hatte, der Verletzte würde den Transport über die steilen Stufen in sein Gemach nicht überstehen.
    Bruder Walter untersuchte den wuchtigen, behaarten Köper mit skeptischen Blicken und sprach das Urteil. „Er ist schlimm zugerichtet, Mylady. Es steht schlecht um ihn, sehr
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