Verfluchte Seelen
für einen der Unsterblichen Wächter
zu werden. Wenn er sich auch nur ansatzweise anmerken ließ, dass er Bastien freundlich gesonnen war, würden die übrigen Sekundanten und Netzwerkmitarbeiter nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Das verdiente er nicht. Nicht nach allem, was er durchgemacht hatte.
»Bist du noch da?«, erklang Tanners Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Ja. Es ist nur … ich bin überrascht, von dir zu hören.«
»Tja, das liegt wahrscheinlich daran, dass du deine Nummer gewechselt und mir die neue nicht gegeben hast, du Blödmann, aber darüber sprechen wir später.«
»Wie bist du an diese Nummer gekommen?«
»Ami. Aber jetzt halt mal die Klappe und hör mir zu. Der Flurfunk der Sekundanten besagt, dass Reordon ein Treffen anberaumt hat, das in weniger als einer Stunde in Davids Haus stattfindet. Und ich weiß verdammt gut, dass er es so hastig einberufen hat, weil er glaubt, dass du nicht daran teilnehmen kannst. Ich glaube, er will ein Urteil gegen dich erwirken, weil du die Menschen getötet hast. Da Seth es bisher abgelehnt hat, dich hinzurichten, will er bestimmt dafür sorgen, dass du dauerhaft aus den Reihen der Unsterblichen Wächter ausgeschlossen wirst.«
Hm.
War Reordon so etwas wirklich zuzutrauen? Hatte Bastien nicht vor ein paar Wochen entschieden, dass sich etwas ändern musste? Dass diese ganze Sache mit den Unsterblichen Wächtern für ihn nicht funktionierte? Vielleicht war es an der Zeit, das alles hinter sich zu lassen und …
Na ja, er wusste einfach nicht, was er dann tun sollte. Die ersten Jahrhunderte seiner Existenz als Unsterblicher war er von dem Drang getrieben gewesen, den Tod seiner Schwester zu rächen. Sobald er herausgefunden zu haben glaubte, wer ihren Tod verschuldet hatte, hatte er etwa zwei Jahrhunderte damit verbracht, seine Rache zu planen und eine Vampirarmee aufzustellen.
»Du darfst nicht zulassen, dass er damit durchkommt«, sagte Cliff, dessen übermenschlich scharfes Gehör ihm erlaubt hatte, dem Telefonat zu folgen.
»Was darf ich nicht zulassen?«, fragte Bastien.
»Dass Reordon dich aus den Reihen der Unsterblichen Wächter ausschließt. Du bist der Einzige von denen, der sich etwas aus uns Vampiren macht. Wenn du dich nicht für uns einsetzt … welche Hoffnung bleibt uns dann noch?«
Verdammt!
Bastiens und Melanies Augen trafen sich, in ihrem Blick lag eine unausgesprochene Bitte.
»Lassen Sie nicht zu, dass Sie wegen Reordons Vorurteilen von Ihrem rechtmäßigem Platz unter den Unsterblichen Wächtern ausgeschlossen werden«, flehte sie. »Die Unsterblichen brauchen Sie dringender, als Ihnen bewusst ist. Cliff und Joe brauchen Sie.«
Noch einmal:
Verdammt!
Bastien seufzte. »Also gut«, sagte er zu Tanner. »Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast. Ich mache mich sofort auf den Weg.«
»Gut.«
»Ich werde etwas länger brauchen, weil ich zu Fuß unterwegs bin, aber …«
»Ich werde Sie hinfahren«, unterbrach ihn Melanie.
»Nein«, widersprach Bastien sofort. »Nein, danke«, milderte er seine Worte ab. Sie hatte sich bereits für ihn stark gemacht, indem sie Reordon daran gehindert hatte, ihn in Ketten zu legen. Er wollte auf keinen Fall, dass man glaubte, dass sie Sympathie für ihn hegte. Es würde nur dazu führen, dass sie seinetwegen leiden musste.
»Oh ja«, bekräftigte sie ihr Angebot und streckte stur das Kinn vor. »Ich bin Ihre Ärztin. Sie haben gerade erst das Bewusstsein wiedererlangt und müssen in den nächsten Stunden überwacht werden, während die Droge noch in Ihrem Blutkreislauf zirkuliert. Ohne mich gehen Sie nirgendwohin.«
»Es dürfte ohnehin schwierig für ihn werden, das Gebäude zu verlassen«, wandte Cliff ein. »Wie soll er hier herauskommen? Ich bezweifle, dass Reordon seinen Männern erlaubt hat, ihn gehen zu lassen.«
Melanie runzelte die Stirn.
»Macht euch deswegen keine Gedanken«, sagte Tanner. »Ich kümmere mich darum.«
Bevor Bastien ihn fragen konnte, wie er das meinte, hatte er bereits aufgelegt.
Als Bastien das Handy sinken ließ, biss sich Melanie auf die Unterlippe. »Falls Sie mit dem Gedanken spielen, sich den Weg nach draußen gewaltsam freizukämpfen, sollten Sie sich das besser noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
Als er sich in der Nacht ihrer ersten Begegnung den Weg in das Netzwerkhauptquartier
hinein
gekämpft hatte, hatte man ihn am Ende in so viele Ketten gewickelt, dass er ausgesehen hatte wie eine Mumie. Das wollte sie nicht noch einmal
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