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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch
Autoren: Bettina Belitz
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bewegte, rutschte der Zipfel von meinem Ohr. Papa war nicht umzustimmen. Und mein bestes Argument konnte ich nicht bringen – nämlich dass das Wesen, das vorher meine Ohren zugedeckt hatte, nicht mehr bei mir war. Also zog ich mir nachts Kapuzenshirts an und band sie so fest um mein Kinn, dass ich morgens Striemen am Hals hatte.
    Manchmal fehlte es mir, mit Leander im warmen Bad zu sitzen, auf die Kacheln zu starren und dem Rauschen der Dusche zuzuhören. Ich fand es auf einmal langweilig, mit meinen Eltern zu Abend zu essen. Ich hatte kaum Appetit. Der Hunger holte mich ein, wenn ich in mein leeres Zimmer zurückgekehrt war, in dem niemand mehr auf dem Schreibtisch saß und Vorträge hielt oder sich selbst bedauerte. Ich konnte meinen Schreibtisch wieder benutzen. Trotzdem lernte ich wie in den Wochen zuvor lieber auf dem Bett. Ich konnte mich nicht überwinden, meinen alten Platz einzunehmen. Es löste ein dumpfes Gefühl in meinem Bauch aus, wenn ich es versuchte.
    Ab und zu glaubte ich, Leander singen oder französisch reden zu hören – das passierte immer kurz vor dem Einschlafen. Dann setzte ich mich auf und knipste das Licht an, in fester Erwartung, in zwei hell leuchtende Huskyaugen zu blicken. Ich war erleichtert, wenn ich feststellte, dass niemand an der Heizung lehnte. Doch anschließend lag ich oft lange wach und fragte mich, wen er wohl nun nervte. Außerdem fand ich es ziemlich unverantwortlich, dass Sky Patrol das Spiel mitmachte. Leander hatte immer von einer Truppe und einer Zentrale geredet – wann kam denn nun mal einer vorbei und übernahm seinen Job? Sie konnten mich doch nicht vollkommen alleine lassen. Eigentlich hätten sie ihn auf der Stelle zu mir zurückschicken müssen.
    Und das war nicht die einzige Frage, die mir auf der Seele brannte. Ich bereute es, Leander nicht besser zugehört zu haben, wenn er von seinen Sky-Patrol-Einsätzen geschwafelt hatte. Ich hatte einen von ihnen kennengelernt und meine Kopfhörer aufgesetzt, anstatt mehr über sie zu erfahren. Es hätte mich nicht umgebracht, ihm wenigstens ab und zu meine Aufmerksamkeit zu schenken. Dann wüsste ich jetzt möglicherweise, woher diese Körperwächter überhaupt kamen, wo sie lebten und ob man mir einen Ersatz für Leander schicken würde.
    Dennoch jubelte ich innerlich, wenn ich daran dachte, dass ich nach meiner Genesung endlich wieder trainieren konnte, wann und so oft ich wollte. Deshalb nahm ich brav meine Tabletten, hielt mein Ohr dreimal am Tag unters Rotlicht und schlürfte Mamas schauderhafte, selbst gekochte Hühnerbrühe. (Das erste Huhn flog wie das Nudelholz gegen die Wand, weil es Mama beim Ausnehmen und Zerteilen ständig durch die Hände glitschte, aber Papa konnte seine Reste retten und Mama besänftigen.)
    Keiner der Jungs hatte sich bei mir gemeldet – wie immer. Doch diesmal ärgerte es mich. Wir mussten endlich übereinkommen, was genau wir David zeigen wollten. Am 18. Dezember würde er hier sein und wir hätten uns dringend darauf vorbereiten sollen.
    Aber Seppo ging nicht ans Handy, wenn ich ihn anrief, und von Serdan und Billy hatte ich nicht einmal eine Telefonnummer. Am Tag vier entschloss ich mich schweren Herzens, den dreien eine E-Mail zu schreiben, in der ich sie mächtig zusammenstauchte und ihnen befahl, so bald wie möglich ein Treffen zu organisieren, bei dem wir alles besprechen konnten. »PS: Ich bin immer noch krank. Tausend Dank für eure zahlreichen Genesungswünsche, ihr Weicheier.«
    Mama entschied, dass ich erst kommende Woche wieder in die Schule gehen sollte. Es war mir recht. So hatte ich mehr Zeit, mir im Internet Fotos des Pegelturms und seiner Umgebung anzuschauen und mir zu überlegen, was ich mit ihm anstellen würde. Leider hatten der Turm und der steinerne Sockel, auf dem er erbaut worden war, kaum Brüstungen oder Geländer, auf denen ich problemlos balancieren konnte. Trotzdem entstand in meinem Kopf nach und nach eine Idee, wie mein Run aussehen würde. Ich wollte vorbereitet sein, wenn David uns zusah, ganz egal, was die anderen vorhatten.
    Am Freitagabend setzte sich Mama schwer seufzend an meine Bettkante und nannte mich »mein kleines Mädchen«. Sie stammelte umständlich von einer wichtigen Sargausstellung und München und Kollegen treffen und Papa unterstützen. Ich horchte auf. Meine Eltern würden übers Wochenende verreisen? Ich musste ein Grinsen unterdrücken.
    »Kein Problem, Mama!«, machte ich ihrem Gestammel ein Ende. »Ihr könnt fahren.«
    »Frau
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