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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Autoren: Gerhard Seyfried
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Außenförde her kommt ein weißes Torpedoboot, schwarz qualmend, mit hoher Bugwelle. Es ist das Depeschenboot Sleipner, der kleine Begleiter der kaiserlichen Yacht. An seinem kurzen Stummelmast flattern fast zwanzig Signalflaggen. Als das Boot Fahrt wegnimmt und auf die Hohenzollern zudreht, kann Seiler sie ablesen: An alle Schiffe. Flagge halbstocks. Toppflaggen halbstocks. Österreichische Flagge im Großmast, anläßlich Ermordung des österreichischen Thronfolgers.
    Kiel, Seebrückenpromenade, 30. Juni 1914, Dienstag
    Die Stadt ist still geworden. Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich und seine Gemahlin Herzogin Sophie von Hohenberg sind tot, an ihrem Hochzeitstag während eines Besuches in Sarajewo erschossen. Der Attentäter soll ein Schüler, ein bosnischer Nationalist, gewesen sein. Bereits vor der Tat soll es einen Bombenanschlag auf das Auto der Hoheiten gegeben haben, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Der Erzherzog wollte den Besuch jedoch nicht abbrechen.
    Gleich nach Bekanntwerden des Attentats waren die Festlichkeiten der Kieler Woche abgebrochen worden. Die Regatten werden zwar fortgesetzt, aber alle Tanzfestlichkeiten sind abgesagt. Entlang der Seebrückenpromenade wehen die Flaggen der Nationen auf halbmast mit Trauerflor. Seiler spürt eine düstere Vorahnung. Österreich-Ungarn wird den Mord an seinem zukünftigen Kaiser nicht hinnehmen können. Es wird zum Krieg mit Serbien kommen. Und Serbien ist mit Rußland verbündet, Rußland mit Frankreich und das wiederum mit England. Deutschland aber hat einen Beistandspakt mit Österreich.
    Kaiser und Kaiserin sind gestern schon am frühen Morgen nach Berlin abgereist. Admiral Warrender und der britische Botschafter Sir Edward Goschen haben sie am Bahnhof verabschiedet.
    Wegen der politischen Spannung wird das englische Geschwader vorzeitig abberufen und macht sich zum Auslaufen bereit. Als die Schiffe langsam Fahrt aufnehmen, setzt Warrenders Flaggschiff King George V. ein Flaggensignal als Abschiedsgruß:
    FRIENDS TODAY , FRIENDS TOMORROW , AND FRIENDS FOREVER .
    London, Secret Service Bureau, 1. Juli 1914, Mittwoch
    Drummond ist beklommen zumute, als er Kells Büro betritt. Ist seine Kieltour aufgeflogen? Und wenn, durch wen? Hat Melville etwa aus Deutschland telegraphiert? Captain Kell hat zu einer Sitzung einbestellt und bittet jetzt alle Mitarbeiter, die Detektive Drummond, Regan, Fitzgerald, Drake und seinen Assistenten Holt-Wilson, Platz zu nehmen. Drummond zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich zögernd.
    » Gentlemen«, beginnt Kell, » ich möchte Sie über den Fall Schröder alias Gould informieren, der vor drei Monaten seinen erfolgreichen Abschluß vor Gericht gefunden hat.«
    Drummond atmet erleichtert auf, es scheint also nicht um ihn zu gehen. Daß Kell den Fall Gould bis jetzt unter strengster Geheimhaltung bearbeitet hat, wundert ihn nicht. Er findet es aber gut, daß der Captain das Fußvolk ausnahmsweise einmal informiert.
    » Es handelt sich um Adolf Friedrich Schröder, einen Deutschen, der in Islington gelebt und eine Engländerin namens Maud Sloman geheiratet hat. Der Mann hat schon 1902 unserem alten Bekannten Steinhauer seine Dienste als Spion angeboten. Nachdem er hin und wieder ganz brauchbares Material geliefert hatte, akzepierte ihn N schließlich drei Jahre später als Beobachter für die Navy-Stützpunkte Sheerness und Chatham.«
    Kell steht auf und wandert zwischen Fenster und Schreibtisch hin und her.
    » Schröder, der sich inzwischen Frederick Gould nannte, hat von da an alle vierzehn Tage einen detaillierten Bericht über britische Marineangelegenheiten nach Berlin geschickt. Auf Steinhauers Empfehlung nahm ihn N ab Mai 1912 unter Vertrag und ließ ihm ein monatliches Gehalt von 15 Pfund zukommen. Ende 1913 zog Gould mit seiner Familie, er hatte inzwischen zwei Kinder, nach Wandsworth. Von dort aus reisten er oder seine Frau regelmäßig nach Rotterdam oder Hamburg, um sich mit Steinhauer zu treffen.«
    » Zu der Zeit waren die Goulds mit Steinhauer schon gut befreundet«, wirft Holt-Wilson ein, » anscheinend hatten sie inzwischen auch seine Kinder kennengelernt, und ihre eigenen Kinder nannten Steinhauer Onkel Gustav, wie aus abgefangenen Briefen hervorgeht.«
    » So wurden wir auch auf die Goulds aufmerksam«, ergänzt Kell, » vor nicht ganz drei Jahren und ziemlich bald nachdem wir vom Home Office die Befugnis erhalten hatten, alle Post von und an Steinhauers Adresse in Potsdam zu überwachen.
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