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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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aufplatzte.
Trotzdem klang seine Stimme ganz sanft, als er leise fragte:
    „Was
meinst du, Lily? Wie weit wird Rasmus für dich gehen?“
    Die
Worte hallten immer noch in meinem Kopf wider, nachdem Sam mir bereits den
Rücken gekehrt und sich an den Abstieg gemacht hatte. Es war nicht schwer, ihm
mit den Augen zu folgen: Inzwischen war die Wolkendecke aufgerissen, und Sams
Gehilfe hatte mich bis ganz an den Rand des Abgrunds geführt, von wo aus ich
einen guten Blick auf den Pfad hatte. Der Mann hielt mich an den Oberarmen fest
und stand so dicht hinter mir, dass sein Atem über meinen Nacken streifte. Es
war unheimlich, sich so nahe bei einem Menschen zu befinden und trotzdem das
Gefühl zu haben, alleine zu sein: Ich verdrehte den Hals, bis ich dem Mann ins
Gesicht sehen konnte, doch seine Miene war wie versteinert. Wären da nicht
seine Atemzüge gewesen, man hätte ihn ohne Weiteres für eine Statue halten
können. Umso überraschter war ich deshalb, als sich sein schraubstockartiger
Griff um einen meiner Arme plötzlich löste, und ich spielte schon mit dem
Gedanken, einen Fluchtversuch zu wagen, als ich knapp über meinem Schlüsselbein
etwas Kaltes spürte.
    Ich
musste gar nicht erst hinsehen, um zu wissen, was das war. Stattdessen wandte
ich mich wieder nach vorne, um dem Blick dieser ausdruckslosen Augen zu folgen,
und entdeckte nun ebenfalls die Silhouetten dreier Personen, die zu uns
heraufgeklettert kamen. Als sie gerade nahe genug waren, dass ich ihre
Gesichter erkennen konnte, packte Sam Rasmus an der Schulter und deutete
scheinbar entsetzt auf mich. Rasmus blieb einen Moment lang wie angewurzelt
stehen, dann begann er den Weg hochzusprinten, und Sam lief hinterher – viel zu
schnell für einen Menschen, doch das bemerkte Rasmus nicht. Erst nach einer
Weile ließ sich Sam zurückfallen, und gleich darauf traf mich etwas mit solcher
Wucht an der Schläfe, dass ich das Gleichgewicht verlor. Ich stieß einen
erstickten Schrei aus und taumelte nach hinten. Im Fallen bekam ich gerade noch
mit, wie Sam irgendetwas zu Rasmus hinaufrief und ihm dann die Pistole zuwarf.
    Noch
waren wir außer Schussweite.
    Der
Mann hob mit einer Hand das Messer und drückte mit der anderen meinen Kopf auf
den Boden, und ich ließ es zu, kümmerte mich auch nicht darum, dass meine Wange
über den Felsboden schrammte, sondern fühlte nur, dass der Knebel zu rutschen
begann. Ich gab vor, mich verzweifelt gegen die Umklammerung des Mannes zu
wehren und warf den Kopf hin und her – ich wusste, wie dieses Bild auf Rasmus
wirken musste, und sah schon, wie er noch im Laufen die Hand mit der Waffe
ausstreckte, aber dann war es mir endlich gelungen, das Tuch abzustreifen.
    „Er
wird mir nichts tun! Es ist eine Falle!“
    Rasmus
hielt verunsichert inne, die Pistole weiterhin auf Sams Helfer über mir
gerichtet. Es sah aus, als wäre er immer noch bereit, jeden Augenblick
abzudrücken, doch dann beging der Mann einen Fehler: Wie Rasmus war er bei
meinem Aufschrei mitten in der Bewegung erstarrt, so als würde er zunächst die
Reaktion abwarten wollen, und bestätigte damit meine Warnung.
    Rasmus
ließ die Waffe fallen. Seine Augen huschten mehrmals zwischen mir und dem Mann
hin und her, dann wandte er sich langsam um und sah Sam an. Der erwiderte
seinen Blick mit der Miene von jemandem, der zwar gerade eine Wette verloren
hatte, sich aber über den Einsatz keine Sorgen machte. Ohne große Eile
schlenderte er an Rasmus vorbei und schwang sich dann mit katzengleicher
Gewandtheit den letzten Felsen hinauf.
    „Samael?“,
stieß Rasmus schließlich hervor.
    „Raziel?“,
imitierte Sam spöttisch Rasmus‘ erschrockenen Tonfall. „Ist das nicht nett, so
eine spontane kleine Szene des Wiedererkennens?“
    „Nicht
besonders“, gab Rasmus zurück, und ich bemerkte, dass er die Hände zu Fäusten
ballte, um seine Fassung wiederzuerlangen. „Was willst du?“
    „Tja,
Raziel, mein Bruder – wie üblich kannst du davon ausgehen, dass das, was ich
will, so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was du willst.“
    „Wie
du meinst“, sagte Rasmus gepresst, „aber lass Lily dabei aus dem Spiel. Diese
alte Rivalität hat nichts mit ihr zu tun, und nebenbei bemerkt könntest du dich
damit selbst in Teufels Küche bringen.“
    „Mir
gefällt deine Wortwahl“, meinte Sam bedächtig und begann am Rand der Steilwand
auf und ab zu spazieren. „Aber ich habe nicht vor, auch nur in die Nähe eines
solchen Ortes zu kommen. Stattdessen wirst du dort
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