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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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mit äußerst bescheidenem Erfolg, da es mir nicht einmal bis zu
den Schultern reichte. „Jinxy“, protestierte ich mit zusammengebissenen Zähnen,
„du blamierst mich bis ins Mark.“
    „Und
wennschon“, flötete meine Freundin ungerührt, „manchmal muss man einen Menschen
eben zu seinem Glück zwingen. In unserer alten Schule hast du mit keinem Jungen
jemals mehr als ein paar Sätze gewechselt. Das beabsichtige ich hier zu
ändern.“
    Ich
wusste aus Erfahrung, dass jeglicher Widerstand zwecklos war. Um meine Freundin
nicht noch mehr zu provozieren, hüllte ich mich in Schweigen und heftete meinen
Blick auf den Hinterkopf des Jungen, den Jinxy offenbar dazu auserkoren hatte,
mein Ehemann zu werden. Sein schwarzes Haar war an den Seiten kurz geschnitten
und oben etwas länger, wo es zerzaust von seinem Kopf abstand. Ich hatte so
eine Frisur schon bei einigen anderen Jungen gesehen und hatte sie allesamt in
Verdacht, jeden Morgen mindestens eine halbe Stunde auf diesen nachlässigen
Struwwellook zu verwenden; doch bei ihm glaubte ich sicher sein zu können, dass
er heute Früh genau so aus dem Bett gestiegen war.
    Endlich
war die Schlange so weit vorgerückt, dass wir hinter Jinxys Objekt der Begierde
durch das imposante Eingangstor treten konnten. Unsere Schritte hallten von den
hohen Wänden der Aula wider, und ich zog fröstelnd die Ärmel meines hellgrauen
Strickpullovers über meine Hände. Das Sonnenlicht, das durch die
efeubewachsenen Buntglasfenster hereinfiel, schaffte es weder die Kälte, noch
die Schatten zwischen den hohen Säulen zu vertreiben.
    „Huh“,
machte Jinxy, legte den Kopf in den Nacken und drehte sich einmal um sich
selbst. „Willkommen in Hogwarts! – Und guten Tag auch, der Herr“, sie machte
einen kleinen Knicks vor der marmornen Büste eines streng dreinblickenden
Mannes mit Spitzbart. Erleichtert bemerkte ich, dass sie den Jungen in Schwarz
offenbar für einen Augenblick vergessen hatte; er war nach links abgebogen und
verschwand schnell im Gedränge.
    „Komm,
dort drüben hängt ein Gebäudeplan“, lockte ich und zeigte zum anderen Ende der
Aula. Jinxy unterbrach ihr leises Gespräch mit dem spitzbärtigen Herrn und sah
mich vorwurfsvoll an. „Jetzt haben wir das Schnittchen aus den Augen
verloren!“, maulte sie und rupfte mir meinen Stundenplan aus der Hand. Sofort
hellte sich ihre Miene wieder auf. „Aber bestimmt sehen wir ihn gleich in
Englisch, das fühle ich im kleinen Zeh! Los, wir müssen nach links.“
     
    Wie
sich herausstellte, hatte Jinxys kleiner Zeh nicht gelogen, doch sie sollte
kaum Gelegenheit dazu bekommen, diesen Triumph auszukosten. Weil wir als Letzte
den Klassenraum betraten, blieben uns nur noch zwei Plätze direkt vor dem
Lehrerpult, und unter den strengen Augen von Professor Scott wagte es nicht
einmal Jinxy, sich den Hals nach „Mr Schlafzimmerblick“ zu verrenken. Ich
selbst war vollauf damit beschäftigt, mir Notizen zu machen: Offenbar legte man
an der Galilei High School gleich am ersten Tag nach den Ferien ohne Umschweife
mit dem Unterricht los. In meiner alten Schule hatten es die meisten Lehrer
ruhig angehen lassen, manche hatten uns sogar nach unseren Urlaubserlebnissen
gefragt oder uns zumindest einen Überblick geboten, was uns im kommenden
Schuljahr stoffmäßig erwarten würde. Doch Professor Scott, der hier gerade erst
seine Stelle angetreten hatte, kündigte uns schon für das Ende dieser Woche
eine Klausur über Shakespeares Hamlet an, um uns besser kennenzulernen,
wie er behauptete. Ich hatte das Stück natürlich längst gelesen, doch die Hintergrundinformationen,
die der Englischlehrer uns dazu lieferte, brachten selbst mich ins Schwitzen.
    Noch
schlimmer wurde es in dem darauffolgenden Lateinkurs (den mein Ehemann in spe
zu Jinxys grenzenloser Enttäuschung nicht besuchte). Professor Grabowski sah so
klischeehaft aus, dass es fast unheimlich war: Ihr graues Haar war zu einem
Dutt zusammengebunden, um den dürren Hals trug sie eine Perlenkette, und auf
ihrer spitzen Nase saß eine Brille mit goldenem Gestell. Außerdem schien ihr
Charakter genau so zu sein, wie man ihn sich bei einer Lateinlehrerin
erwartete. Sie rief uns der Reihe nach an die Tafel und ließ uns Textstellen
übersetzen, um zu sehen, wie sehr unser Latein „über den Sommer eingerostet“
war. Mit Schrecken stellte ich fest, dass hier ein anderes Lehrbuch benutzt
wurde als in meiner alten Schule, und dass mir die meisten Vokabeln, die in
meinem Übungssatz
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