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Venusbrüstchen: Roman (German Edition)

Venusbrüstchen: Roman (German Edition)

Titel: Venusbrüstchen: Roman (German Edition)
Autoren: Monika Detering , Silke Porath
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unregelmäßig gewachsen waren. Ihre Figur war nicht schlecht, gut proportioniert, wenn auch zäh erkämpft, und ihre Beine waren lang, mit schmalen Fesseln und kräftigen Waden. Eigentlich wirkte sie genau so, wie Hubert sich eine nette Ehefrau vorstellte, etwas Wetterfestes, Dauerhaftes, ein praktischer Trenchcoat sozusagen. Ein pfiffiger Verkäufer würde glatt vierzig Jahre Garantie auf sie geben und dabei gar nicht falsch liegen. Sie begann sich zu ärgern. Wer wollte schon gerne ein Trenchcoat sein … Kurz entschlossen kramte sie Lippenstift und Schminke aus den tiefsten Tiefen ihres Badezimmerschränkchens und malte sich einen großen roten Mund und herrlich sündige Augen. Dann zog sie ihr Haar tiefer in die Stirn, bestäubte sich mit Parfüm und verwischte etwas Rouge auf den Wangen. Der Trenchcoat soll wenigstens ein farbiges Revers erhalten, dachte sie aufsässig und puderte sich noch die Nase.
    Lilli hatte noch keine Ahnung, wie sehr sich durch jenen verhängnisvollen Brief auch ihr Leben verändern würde. Sie spazierte mit Freundin Beatrice durch den Hofgarten, verfütterte ein paar Kekse an die Tauben vor der Feldherrnhalle und errötete sanft, als ein gut aussehender, älterer Herr ihr einen aufmerksamen Blick schenkte und sanft lächelte. Lilli war klein, schmal; ihre rotblonden Locken, die sie, wie in jungen Jahren, schulterlang trug, verliehen ihr etwas Mädchenhaftes. Ihr Gesicht war zart gezeichnet und immer noch schön, trotz der kleinen Fältchen, die die Haut durchzogen und den eisblauen Augen, die nicht mehr so leuchteten wie früher.
    »Wie geht es Judith?«, fragte Beatrice, mäßig interessiert.
    Lilli lachte. »Wie soll es ihr schon gehen? Sie wandelt Tag für Tag in ihr verstaubtes Amt, kommt am frühen Nachmittag nach Hause, arbeitet im Garten, bereitet ein kleines Abendbrot für sich und Hubert, sieht fern und ist so langweilig wie eh und je.«
    »Glaubst du, sie heiratet Hubert?«
    Lilli hob die Augenbrauen. »Du stellst die Frage verkehrt herum. Doch egal. Ich würde ihn jedenfalls nicht heiraten, er ist eine alte Jungfer in Hosen. Doch was bleibt ihr übrig?«
    »Du meinst, sie hat nicht allzu viele Chancen?«
    »Allzu viele? Ich kenne keine außer Hubert. Sie hatte mal eine große Liebe, doch die ging nach Australien. Das war vor fünfzehn Jahren. Und dann gab es noch ein paar Interessenten aus der Nachbarschaft. Aber das waren Witwer oder Geschiedene, die wohl eher eine gute Haushälterin suchten. Und einmal hätte sie sich beinahe verlobt. Mit einem österreichischen Skilehrer. Torschlusspanik! Zugegeben, ein bildschönes Mannsbild und wohl gut geeignet für ein bisschen erotischen Nachholbedarf. Wir haben ihr diesen Mann ausgeredet, und sie brach ihren Urlaub ab und kam nach Hause.«
    »Erotische Anwandlungen hätte ich ihr gar nicht zugetraut.«
    »Na ja. Diese Geschichte scheint wohl auch ihr gesamtes Temperament erschöpft zu haben. Von da an lebte sie wie eine Nonne. Als sie Hubert kennenlernte, war sie bereits Mitte dreißig und ganz schrecklich anständig und brav.«
    »Sonderbar, wie unterschiedlich Schwestern doch sein können. Wenn ich da an Margareth denke …«
    Lilli schwieg. Sie dachte oft an Margareth, die ihre zierliche Figur, ihr rotes Haar und ihre charmante Fröhlichkeit besessen hatte und die, bevor sie Philip heiratete, umschwärmt worden war wie ein Starlet.
    »Judith gleicht da mehr meinem verstorbenen Mann«, sagte sie nachdenklich. »Treu wie Gold und störrisch wie ein Maulesel. Denn sonderbarerweise – so unsicher und schüchtern sie im Alltag auch scheint – so eigensinnig und zielbewusst kann sie sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.«
    »Du denkst wohl an den Antrag auf Pflegschaft für Margareths Kinder?«
    »Ja, genau. Sicher, ich liebe meine Enkel«, sagte Lilli hastig. »Aber weder Judith noch ich sind drei Kindern gewachsen. Ich eigne mich nun mal nicht zur Großmutter. Und Judith als Mutter …« Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber die Kinder in ein Heim zu stecken, wäre auch grausam.«
    »Kein Mensch hätte sie in ein Heim gesteckt. Verschiedene Verwandte hätten geholfen. Nur alle drei Racker auf einmal, das wollte sich natürlich keiner antun. Ich kann nur hoffen, dass Judiths Antrag abgelehnt wird.« Lilli blickte sich um. Der nette Graumelierte stand vor einem Schaufenster mit Miederwaren und sah nicht so aus, als wüsste er genau, was er sich da so aufmerksam beguckte.
    »Gehen wir ins ›Glockenspiel‹, einen Kaffee
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