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Venus

Venus

Titel: Venus
Autoren: Elke Buschheuer
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beibringen und nach Feierabend in einem Heim für zu resozialisierende Freudenmädchen arbeiten. Sie wird nicht wieder heiraten. Sie wird mit dem Gedanken spielen, Nonne zu werden, diesen jedoch verwerfen, weil sie nie wieder lange Röcke und Kopftücher tragen möchte. Sie wird sich schließlich auch von Jesus wieder trennen und für ein weltliches Leben entscheiden, wird sehr modern sein, Affären haben, Zigaretten mit langen Spitzen rauchen und mit 65 an den Folgen eines Autounfalls sterben, im vollen Bewusstsein eines erfüllten Lebens, im Kreise ihrer Familie: zwei Schwestern, zwei Schwager, sieben Nichten und Neffen und deren große lärmende Kinderschar. Sie wird als Frauenrechtlerin in Deutschland wiedergeboren werden.
    Toga wird das Verschwinden seiner Frau und den Satanskult-Prozess nicht nur als Geschenke Gottes, sondern als Fingerzeig nehmen. Es wird ihn nach Indien ziehen, nach Vrindavan, in die heilige, von Krishnas Lotosfüßen geadelte Landschaft. Als Diener des Dieners wird Toga sich in der Pflicht sehen, die Kirche zum heiligen Franz zu verkaufen. Eine presbyterianische Gemeindeaus Philadelphia wird sich als meistbietend erweisen; sie wird die Tempelkirche vom Hindu-Kitsch befreien und wieder ihrem ursprünglich zugedachten christlichen Zwecke zuführen.
    Toga, der seinen Vollbart als verheirateter Mann zumindest einmal wöchentlich mit einem Küchenmesser zu stutzen pflegte, wird ihn nun wachsen lassen. Im gleichen Maße, in dem sein Bart wächst und ergraut, wird Toga selbst schrumpfen. Er wird einen prachtvollen Tempel zu Ehren Krishnas bauen, wird aber isoliert bleiben, da er die Zeremonien »modernisieren«, die alten Sanskrittexte auf Englisch singen wird, mit Gitarrenbegleitung, zu Melodien von Johnny Cash.
    Jedoch wird es ihm gelingen, im Verlaufe der Jahre Westeuropäer anzuziehen, denen er sich als Guru verkauft, sodass sich endlich sein Lebenstraum erfüllt. Er wird der Führer seiner eigenen Sekte sein und sein Magenrumpeln wird im Ashram als Meditationskassette verkauft. Als Toga im hohen Alter von 95 Jahren stirbt, hat er nur noch die Größe eines achtjährigen Kindes, und sein Bart reicht bis auf den Boden. Er wird sich – was den Glauben der Einheimischen im Übrigen erschüttert – nach westlichem Muster einbalsamieren und in einem Mausoleum zur Ruhe legen lassen. Das Mausoleum wird drei Monate später von unbekannten Tätern dem Erdboden gleichgemacht werden, Togas Leiche wird nie wieder auftauchen. Er wird als Kakerlake wiedergeboren werden.
    Daniel H. Boone und Bringfriede werden nach dem großen Blackout – für uns alle überraschend – zusammenbleiben. Sie werden jeden neuen Tag mit einem Glas Eigenurin begrüßen und sich als ausgesprochen harmonischesspätes Liebespaar erweisen. Sie werden die ersten Jahre von Boones Polizistenrente in seinem kleinen Apartment in Brooklyn leben, von Bringfriede ab und an mit Handlese-Sitzungen unterstützt. Boone, der von nun an ausschließlich Bringfriedes Strickpullover tragen wird, wird im Alter eine große Neigung zur Esoterik entwickeln und schließlich zusammen mit Bringfriede einen spirituellen Buchversand im Internet aufmachen, der sich zu einer erstaunlichen Einnahmequelle mausern wird. Bringfriede wird bis zu Boones Tod nie wieder psychiatrisch auffällig werden, wird sich aber, nachdem ihr Lebensgefährte im Alter von 79 Jahren tödlich vom Hirnschlag getroffen wird, mit am Rücken festgeschnürten Pappflügeln vom Empire State Building stürzen, heiter und zuversichtlich, ihrem geliebten Hiob nach, mit dem sie sich im spirituellen Schattenreich des Universums wiederzuvereinigen glaubt. Teile der Aufgabe werden misslingen.
    Boone wird als afrikanische Voodoo-Priesterin wiedergeboren werden. Bringfriede wird einige Jahrhunderte als Geist verbringen, ehe sie als Fremdsprachensekretärin in Teheran wiedergeboren wird.
    Kuki wird sich rasch von Arjuna, aber niemals wieder von Kavi trennen. Sie wird mit dem Buben, der ihr zwar wie aus dem Gesicht geschnitten, aber charakterlich sehr unähnlich ist, nach Indien zurückgehen. Sie wird Kavis Vater suchen, sie wird ihn in Kalkutta in der Chefredaktion einer revolutionären Studentenzeitung finden und bis zu ihrem Lebensende mit ihm in engem Kontakt bleiben.
    Sie wird ihre Eltern in Südindien besuchen und sich mit ihnen versöhnen. Sie wird schließlich des Kindesvaterswegen nach Kalkutta ziehen und dort ihre Arbeitskraft und ihren Elan in den Dienst des großen Kali-Tempels stellen.
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