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Venus

Venus

Titel: Venus
Autoren: Elke Buschheuer
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Oberflächlichkeit nicht zu überbieten war. Internationale Auftritte, Privatlehrer, drakonische Fitness-Programme, hoch dosierte Antibiotika gegen Pubertätsakne, Sonnenschutzfaktor 100, Bleichcreme und Radikalpeeling gegen Sommersprossen, schließlich eine von ihrer Agentur angeregte Nasenkorrektur. Fortwährende Kritik an ihrer Haltung, ihrer Haut, ihrer Kopfform, ihren Augenbrauen, dem Schnitt ihres Mundes, der Länge ihres Halses ließen bei ihr einen Eindruck von körperlicher Minderwertigkeit zurück und machten sie scheu im Umgang mit Fremden. Verena kam weder dazu, sich unglücklich zu verlieben noch eine Boygroup anzuschmachten, sie hatte keine beste Freundin, nicht mal teenagertypische Eigenheiten.
    Mit 17 erkrankte Verena an Fresssucht. Da sie zu den mühelos Dünnen gehört, musste sie eine gewaltige Anstrengung unternehmen, um innerhalb dreier Monate zwanzig Kilo zuzunehmen. Sie wog schließlich gesunde sechzig Kilo bei 1,70 Körpergröße und stand kurz davor, ihren Modelvertrag zu verlieren – eine Tatsache, die siehinnahm, wie sie alles hinnahm. Ihre Mutter, deren Karriereträume in der Tochter wiedergeboren waren, setzte sie auf Radikaldiät. Sie sperrte Verena einige Wochen mit Mineralwasser und Baby-Karotten in ihr Zimmer ein. Der Mensch, der vor ihr stand, als sie die Tür wieder öffnete, war zwar wieder dünn, war aber, wie sie seitdem fortwährend beklagt, nicht mehr ihre Tochter.
    Für Verena war die Karotten-Kasernierung ein Schnellkurs in Abnabelung. Sie, die immer die klaglos zu Dressierende gewesen war, die nichts je hinterfragt hatte, die keiner Autoritätsperson je etwas verübelt hatte, war plötzlich kalt und unversöhnlich. Sie schubste die fremde Frau, die protestierende Gefängniswärterin, die vorgab, ihre Mutter zu sein, aus dem Türrahmen und verließ ihr Elternhaus, um es nie wieder zu betreten. Sie rief ihre Bekannte Effi an, Effi Vogelsang, Erbin der Vogelsang-Automobilwerke, und wohnte ein halbes Jahr in deren voll verglastem Penthaus auf der Upper East Side. Sie war nicht ausgestiegen, sondern auf höherem Niveau geflohen. Sie feuerte ihre Mutter und suchte sich ein neues Management. Das Einschneidendste aber war, dass sie begann, eine Femme fatale zu werden. Das farblose, ehemals stille, freundliche Mädchen behandelte plötzlich andere schlecht: ihre Agentin, ihre Maskenbildnerin, ihr Personal, vornehmlich jedoch Männer. Sie benahm sich daneben, auf Shootings, auf Partys, überall, wo auch immer sie ging und stand. Sie begann, auf regelmäßiger Basis zu trinken und zu koksen. Sie stürzte sich in vollkommen bedeutungslose Affären. Sie übertrieb es so stark, dass sie bald wie eine schlechte Karikatur einer verzogenen reichen Göre wirkte. Es war egal. Das drückte sie aus. Das Leben war nicht schön. Es war auch nicht schwer. Es war egal.
    Effi war verlobt mit Johnny Goldstein, dem Erben des gleichnamigen Schmuck- und Uhren-Imperiums, einem Playboy und Faulpelz, der sich einen Dreck um Effi scherte, der aber seinen Eltern, denen an einer Verbindung mit den Vogelsangs lag, aus dunklen Gründen den Gefallen schuldig war. Effi, ältlich, hektisch, leicht verklemmt, schien Johnny trotz des Arrangements zu mögen. Er war attraktiv, er war charmant, die Frauen liefen ihm nur so hinterher, aber sie, sie würde er heiraten.
    Verena und Johnny – das war Hass auf den ersten Blick. Je näher die Hochzeit rückte, desto öfter wurde Johnny in Effis Wohnung vorstellig. Je öfter er da war, desto heftiger geriet er mit Verena in Streit. Wann immer Effi nicht da war, lästerte Johnny über sie. Eines Tages, Effi war bei ihrer Schneiderin, um das 20000-Dollar-Brautkleid richten zu lassen, kam es zwischen Verena und Johnny zu Handgreiflichkeiten.
    »Effis Schleier kann gar nicht dicht genug sein«, sagte Johnny, dem es Spaß machte, seine zukünftige Frau hässlich zu finden.
    »Ich habe deinen Smoking gerade etwas individueller gestaltet«, sagte Verena, die mit einer Geflügelschere ein Loch in den Schrittbereich seiner Hose geschnitten hatte.
    Aber Johnny lachte nur und zwang ihr beides aus den Händen, die Hose und die Schere.
    »Möchtest du, dass ich sie für dich trage?«, sagte er lässig und entledigte sich seiner Jeans. »Zieh dich wieder an, du Schwein«, rief sie und versuchte, eine Ohrfeige auf seinem dezent gebräunten Gesicht zu landen.
    »Möchtest du, dass ich dir deine bösen grünen Äuglein aussteche?«
    Er schlang ihr Haar wie ein Lasso um die Hand. Erstand in
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