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Venus

Venus

Titel: Venus
Autoren: Elke Buschheuer
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Boxershorts vor ihr, die muskulösen Beine leicht gespreizt. Er hielt mit der anderen Hand ihre Handgelenke fest, er benutzte seinen Griff wie eine eiserne Fessel. Er lachte ihr ins Gesicht, mit schlohweiß gebleichten Schneidezähnen.
    Sein Nasenrücken hatte einen Höcker und an seinen Nasenhaaren hingen feine weiße Spuren von Kokain. Sie hatte auch einen Nasenhöcker gehabt, doch der war von einem namhaften Schönheitschirurgen abgetragen worden. Knochensplitter für Knochensplitter abgehauen mit einem Meißel. Sie verspürte das Bedürfnis, den Höcker auf Johnnys Nase abzuhauen. Sie hasste diesen Kerl, sie hatte nie zuvor so stark gefühlt, sie holte mit dem Bein aus und trat ihm mit dem Knie in den Schritt, und sie legte in diese gut organisierte Bewegung ihres zierlichen Knochenapparates alle Verachtung, die sich jemals in ihr angesammelt hatte. Er brüllte auf. Er krümmte sich, zog sie aber mit sich und drehte ihr den Arm um. Sie strampelte, schlug, trat, biss.
    Er, dessen Widerstand so spielerisch und überheblich begann, versuchte nun, sie loszuwerden, sie abzuschütteln. Sie prügelten sich, und in der Prügelei lösten sich beide von ihren Rollen, sie wurden zu verknäulten, krummen, keuchenden Kreaturen, zu Erdratten, zu Reptilen, die einander die Kleider vom Leib fetzten, die übereinander herfielen, als wollten sie einander an die Gurgel. Dass ihr Kampf in Sex mündete, tat ihrem Hass keinen Abbruch. Mordlust glimmte in ihren Augen, Kratzer, Verrenkungen, Blessuren aller Art trugen sie davon. Kleider wurden zerrissen, Möbel gingen zu Bruch, und keinen Millimeter kamen sie einander näher. Ihr aggressives und seelenloses Verhältnis hielt an, auch alsJohnny bereits mit Effi verheiratet war, auch als Verena längst ihr eigenes Apartment hatte, sogar, als Verena einen festen Freund hatte, einen ihr völlig ergebenen Modedesign-Studenten, von dem sie sich jedoch nach einem halben Jahr wegen Belanglosigkeit trennte.
    Für Effi, die jede heterosexuelle Frau unter vierzig des potenziellen Johnny-Diebstahls verdächtigte, war allein Verena über jeden Verdacht erhaben. Wenn die von Johnny sprach, spiegelte sich in ihrem Gesicht alles, Verachtung, Abscheu, Hass. Und wenn Johnny von Verena sprach, war es ebenso. Fast schien es, als erhielte der gegenseitige Hass Nahrung aus der fatalen erotischen Verstrickung. Und auch in der Art, mit der beide Effi betrogen, lag Niedertracht. Es war, als legten sie es darauf an, von ihr auf frischer Tat ertappt zu werden. Oder es war ihnen egal. Oder sie dachten einfach nie nach, sobald sie auf Tuchfühlung waren. Es handelt sich um eine durch und durch ungesunde Beziehung, selbstsüchtig und selbstzerstörerisch zugleich, um eine Beziehung, die in einem Drama enden musste, so oder so.
    Und so kam es zu jener Szene, nach der unsere Sommergeschichte beginnt. Verena, die mit Effi in einem Frühstückscafé am Columbus Circle verabredet ist, fühlt sich stattdessen in die andere Himmelsrichtung gezogen. Sie versetzt die Freundin, ruft sie nicht mal an, wie ein Magnet zieht es sie zu dem Mann, den sie verachtet, den sie »Ratte« nennt. So findet sie sich in Effis Apartment wieder, zu dem sie noch einen Schlüssel hat. Sie weiß, dass Johnny noch im Bett liegt. Sie lässt schon an der Tür ihr rotes Kleid aus der neuen Kollektion von Marc Jacobs fallen, ihre rote Unterwäsche von Victoria’s Secret, nackt steht sie vor ihm, der er im Bett liegt undgerade mit einem 100-Dollar-Schein eine Linie Kokain schnupft.
    »Dir ist wohl kein Klischee zu schade, du Witz von einem Mann!«
    »Und du hast wohl nicht das kleinste Fünkchen Schamgefühl, Schlampe! Wenn nun meine anmutige Ehefrau hier gewesen wäre!«
    Sie lacht auf. »Effi hat eine Verabredung.«
    »Mit wem denn?«
    »Mit mir, du Ratte.«
    Er wirft die Bettdecke zurück und steht vor ihr, nackt, gebräunt, muskulös, erregt.
    »Du bist so abgewichst.«
    »Und du so verkommen.«
    Es ist bereits an dieser Stelle des Gesprächs, als, von beiden unbemerkt, Effi eintritt, die nicht länger als 15 Minuten in dem Café gewartet und sich dann auf den Heimweg gemacht hat. Sie wird nicht nur Zeugin einer nahezu beängstigenden Sexszene, sie wird zwischendrin auch noch mehrfach beleidigt.
    Unsere Venus, die sich erinnert, die sich an jede schreckliche Sekunde erinnert, kniet immer noch auf dem Flur vor Benitos Zimmer. Sie und Johnny, koksend, nackt, in der Küche auf dem Marmorfußboden. Er würgt sie. Sie tritt ihn. Er ohrfeigt sie. Sie
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