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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus
Autoren: Voosen Jana
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Beziehung arbeiten will. Aber nein. Hier sitze ich nun mutterseelenallein und muss die ganze Zeit beobachten, wie meine Schwester Bernd ziemlich schamlos anbaggert.
     
    Um Mitternacht wird die Hochzeitstorte angeschnitten und danach der Brautstrauß geworfen. Ich trommele alle unverheirateten Frauen auf der Tanzfläche zusammen und reihe mich selbst zwischen ihnen ein. Lara steht mit dem Rücken zu uns und Sekunden später fliegt der rosa-weiße Brautstrauß durch die Luft und mir genau in die Arme. Alles jubelt, Lara dreht sich um, läuft auf mich zu und umarmt mich stürmisch.
    »Ich hoffe, du wirst auf deiner Hochzeit auch so glücklich sein wie ich heute«, flüstert sie mir ins Ohr, und dann
zieht sie schon wieder irgendjemand von mir weg und ich stehe alleine dort. Mit meinem Strauß. Ich gehe zurück zum Tisch, kippe ein weiteres Glas Wein in mich hinein und starre auf eine besonders schöne rosa Blüte.
    »Gratuliere«, sagt jemand direkt hinter mir und ich fahre erschrocken herum. Es ist Bernd und sein Gesichtsausdruck ist mehr als sarkastisch.
    »Danke«, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt.
    »Wo ist denn der zukünftige Gatte?«, fragt er mich und lässt sich auf den freien Stuhl neben mir fallen. Die langen Beine streckt er weit von sich. Er sieht verdammt gut aus in seinem schwarzen Anzug mit dem bunt gemusterten Siebziger-Jahre-Hemd darunter. Dieses Outfit habe ich aber nicht für ihn besorgt. Ach je, das Kind wird flügge und kann jetzt schon für sich alleine einkaufen. Auf eine Krawatte hat er verzichtet, und obwohl ich ihm mit Sicherheit dazu geraten hätte, muss ich zugeben, dass er so viel besser aussieht. Schick und doch Bernd. Ich wünschte, er würde mich nicht so finster anschauen.
    »Jan ist auf Geschäftsreise«, sage ich knapp.
    »Soso. Naja, man muss ja auch Prioritäten setzen«, bemerkt Bernd und setzt die Bierflasche an. Ist schon klar. Alle trinken Wein, aber Bernd trinkt Bier direkt aus der Flasche, denke ich unwillig. Leider scheint er meine Gedanken erraten zu haben, denn er lacht böse und sagt: »Das kann ich mir schon vorstellen, dass dir das nicht gefällt, was ich hier tue. Aber Gott sei Dank hast du mir gar nichts zu sagen.«
    »Das weiß ich doch«, bestätige ich leise und starre auf das weiße Tischtuch vor mir. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie Bernd mich finster anschaut. »Du redest ja wieder mit mir«, stelle ich fest, um irgendetwas zu sagen.
    »Stimmt.«

    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil du mir Leid tust.« Ich fahre zu ihm herum, als hätte er mir einen Schlag versetzt.
    »Ich brauche dein Mitleid nicht, geh ruhig wieder zu meiner Schwester zurück und lass dich von ihr anschmachten.«
    »Du irrst dich«, sagt er langsam und kommt mit seinem Gesicht ganz nah an meines heran, »du bist so verkorkst, Helen, dass du alles Mitleid brauchst, dass du kriegen kannst.« Ich schnappe entsetzt nach Luft, aber er fährt ungerührt fort: »Ich rede nicht von deinen Zwängen und Neurosen. Ich meine nicht mal deine Magersucht. Ich rede davon, dass du es brauchst, von den Menschen wie der letzte Dreck behandelt zu werden. Was dieser Jan mit dir abgezogen hat, das würden andere mit ihrem ärgsten Feind nicht tun. Er hat dich total verarscht. Er hat dich bloßgestellt. Er hat auf deiner Seele herumgetrampelt. Du brauchst das jetzt nicht herunterzuspielen«, fährt er mich an, als ich den Mund öffne, um zu protestieren, »ich habe dich gesehen. Ich habe gesehen, was er mit dir gemacht hat. Du warst so fertig, dass ich dir noch nicht mal übel nehme, dass du mir in deiner Verzweiflung plötzlich an die Wäsche wolltest. Aber als ich dann gehört habe, dass du keine zwölf Stunden später bei ihm einziehst, da wusste ich, dass du völlig krank sein musst. Und deshalb«, zischt er, »deshalb tust du mir Leid.« Ich sehe ihn an und sage gar nichts. Wie betäubt stehe ich auf und verlasse den Tisch, ohne mich noch mal umzudrehen.
     
    Ich finde mich schließlich würgend über einem schwarzen Marmor-WC wieder. Keine Ahnung, wie ich hier hingekommen bin. Ich umschlinge das Ding mit beiden Armen
und gebe ein Vier-Gänge-Menü in umgekehrter Reihenfolge von mir. Erschöpft bleibe ich dann einfach auf dem Boden sitzen und lege meinen Kopf auf die verschränkten Arme. In mir herrscht ein einziges Chaos. Ich verstehe nicht, was los ist. Warum sagen plötzlich alle so gemeine Sachen zu mir? Schluchzend krame ich mein Handy aus meiner Handtasche hervor und rufe
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