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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling
Autoren: Georgette Heyer
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die arme Dame zu ihrem Lieblingsstuhl führen. Diese zweite Katastrophe, die dem Schock des Vorabends folgte, erwies sich als zu viel für Mrs.
    Hendreds zerrüttete Nerven: Sie brach in Tränen aus, und in ihrem kläglichen Schluchzen erleichterte sie sich zwischendurch mit einem unzusammenhängenden Monolog, der zugleich eine Jeremiade und eine Strafpredigt war. Venetia machte keinen Versuch, sich gegen die diversen Anklagen zu verteidigen, die auf sie abgefeuert wurden, sondern widmete sich der Aufgabe, ihre bekümmerte Verwandte mit liebevoller Behandlung halbwegs zu beruhigen. Erschöpft vor Aufregung lehnte sich Mrs. Hendred schließlich mit geschlossenen Augen in ihren Stuhl zurück und wies ihre undankbare Nichte nur leise stöhnend und schwach zurück. Venetia schaute sie zweifelnd an, entschied sich, keinerlei weitere Ankündigungen zu machen, und ging hinaus, um Miss Bradpole zu rufen. Sie vertraute Mrs. Hendred deren sachverständiger Fürsorge an, verließ das Haus wieder und ging zum Droschkenstand. „Zur Lombard Street, bitte!", sagte sie zum Kutscher. „Hauptpostamt."
    Der Nachmittag war schon beträchtlich vorgeschritten, als sie wieder zum Cavendish Square zurückkehrte. Sie erfuhr von Miss Bradpole, dass sich Mrs. Hendred ins Bett zurückgezogen, aber alle Angebote, den Arzt zu rufen, abgelehnt hatte.
    Man hatte sie überredet, in einem leichten Mittagessen herumzustochern - gerade nur eine Tasse Brühe, ein Stückchen Huhn und etwas Fruchtlikörcreme -, und sie schien sich nun um eine Spur wohler zu fühlen und dem Schlaf geneigt zu sein.
    Veneria, die eine entsprechende Besorgnis an den Tag legte, gönnte Miss Bradpole eine zungenfertige Erklärung des Kollapses ihrer Tante und ging in ihr eigenes Zimmer.
    Erst viel später wagte sie, sanft an Mrs. Hendreds Tür zu klopfen. Eine versagende Stimme hieß sie eintreten. Sie fand ihre Tante gegen einen Berg Kissen gelehnt, mit einem sehr hübschen, unter dem Kinn gebundenen Nachthäubchen vor, das Taschentuch in der einen Hand, das Riechfläschchen in der anderen, und auf einem Tisch neben dem Bett eine Batterie von Beruhigungs- und Stärkungsmitteln. Als sie Venetias Stimme hörte, richtete sie vorwurfsvolle Augen auf die Tür und gab einen herzzerreißenden Seufzer von sich. Dann erkannte sie, dass Venetia unter einem warmen Umhang ein Reisekleid trug. Ihr Verhalten veränderte sich abrupt. Sie setzte sich mit einem Ruck auf und verlangte in Tönen, die weit entfernt von denen einer Sterbenden waren, zu wissen: „Warum bist du so angezogen? Wohin gehst du?"
    Venetia trat an das Bett, beugte sich über die Tante und küsste liebevoll ihre Wange:
    „Liebste Tante, ich fahre heim!"
    „Nein, nein!", rief Mrs. Hendred und packte ihren Ärmel. „O Himmel, ich werde noch vollkommen verrückt! So habe ich es doch nicht gemeint! Der Himmel weiß, was da zu tun ist, aber deinem Onkel wird bestimmt etwas einfallen, verlass dich drauf! Venetia, wenn ich etwas gesagt habe ..."
    „Aber natürlich haben Sie nichts gesagt, Ma'am!", sagte Venetia, lächelte sie an und tätschelte liebkosend ihre Schulter. »Aber Sie können ja doch nicht hoffen, meinen Ruf wiederherzustellen, und ich möchte so viel lieber, dass Sie es erst gar nicht versuchen. Sie waren schon viel zu gütig zu mir, und ich bin ein elendes Ding, weil ich Ihnen so viel Unbehagen verursache. Aber, sehen Sie, es geht um mein ganzes Leben, um das ich kämpfe, und ich bin gar nicht sicher, ob es selbst jetzt nicht schon zu spät ist! Ich bitte Sie sehr, versuchen Sie, mir zu verzeihen, meine liebe Tante, und - und mich ein bisschen zu verstehen!"
    „Veneria, so bedenke doch bloß!", flehte Mrs. Hendred. „Guter Gott, du kannst dich doch unmöglich diesem Mann an den Hals werfen! Was würde er bloß von dir denken?"
    „Das habe ich bedacht. Es erscheint wirklich ganz schrecklich, nicht? Ich hoffe, mein Mut hält durch. Aber ja, ich glaube, das wird er, weil es nichts gibt, was ich ihm nicht sagen könnte oder er nicht verstehen würde. Seien Sie nicht verzweifelt. Ich wünschte, ich hätte Sie nicht wieder aufregen müssen, aber ich konnte nicht wegfahren, ohne Ihnen Lebewohl zu sagen und Ihnen zu danken, dass Sie so überaus gütig zu mir waren. Ich habe Bradpole und Worting gesagt, dass mir Edward schlechte Nachrichten über Aubrey brachte und mich mit der Post bis York begleiten wird, so müssen Sie sich nicht darüber aufregen, was die Dienerschaft denken wird.
    Und ich habe meinen Koffer
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