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Venedig sehen und stehlen

Venedig sehen und stehlen

Titel: Venedig sehen und stehlen
Autoren: Krischan Koch
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war ihm klar, dass er sich verliebt hatte. Und er hatte eine Ahnung, dass das mit Zoe klappen könnte.
    Die schwarze Tänzerin zuzelte an einem Teil, das als Hühnerfuß allerdings nicht mehr zu erkennen war. Irgendjemand bestellte eine neue Runde Budweiser und irgendetwas mit schwarzer Bohnenpaste. Sie redeten über Kunst und junge britische Bands. Die Tänzer lachten laut und die anderen machten ihnen Komplimente.
    Nur Harry hatte ständig in Zoes Kajal umränderte Augen sehen müssen.
    Geküsst hatten sie sich zwei Tage später. Zuerst hatte Zoe ihn geküsst, in einem völlig unpassenden Moment. Sie hatte gesagt: »Ich zeig dir erst mal New York«, und dann das Standardprogramm mit ihm veranstaltet: Empire State Building in der Abenddämmerung, MOMA und Central Park, der zu der Zeit gerade in herbstlicher Färbung zwischen den Hochhäusern von Upper West und East lag.
    Als sie im Whitney-Museum vor Calders anrührendem und komischem kleinem Zirkus standen, den er aus Gebrauchsgegenständen zusammengepuzzelt hatte, wandte sie sich kurz zu ihm und küsste ihn einfach auf den Mund. Sie küssten sich nicht richtig, darauf war Harry gar nicht vorbereitet. Aber es war auch kein kleiner Kuss. Mit ganz leicht geöffnetem Mund, dass kurz etwas von ihren vorstehenden Zähnen zu ahnen war, drückte Zoe ihre Lippen auf seine. Ganz selbstverständlich wie nebensächlich, aber satt und ein kleines bisschen feucht. Es war ein kurzer Augenblick. Und Harry war sich gleich danach nicht mehr sicher, ob er sich das nicht alles nur eingebildet hatte. Er hatte in den letzten beiden Tagen an nichts anderes gedacht, als Zoe zu küssen. Aber in diesem Moment war er ziemlich perplex gewesen. Verstört stierte er auf den Monitor, auf dem ein Film lief, in dem Calder gerade die Seiltänzerin aus Draht aus seinem kleinen Zirkus vorführte.
    »Isn’t that realy cute?« , sagte Zoe und schüttelte ein bisschen verlegen ihre schwarzen Haare, als wäre nichts gewesen.
    Abends hatten sie auf einer großen Wiese im Central Park gepicknickt. Es war ein sonniger, noch recht milder Herbstabend. Die Sonne war hinter dem Dakota-Building, vor dem John Lennon erschossen worden war, untergegangen. Auf den »Strawberry Fields«, der kleinen Gedenkstätte davor im Park, hatten ein paar Jungs aus jener Zeit, die inzwischen graue Haare hatten, nur so zum Spaß Beatles-Songs gespielt. Harry und Zoe hatten sich Tuna-Sandwiches und eine Flasche Rotwein mit Schraubverschluss mitgebracht. Und als sie ihre Wolldecke wieder zusammengelegt hatten, Zoe die Decke und den restlichen Müll in einer afrikanischen Umhängetasche aus Korb verstaut hatte, fasste Harry ihr ins Haar und sie küssten sich – stundenlang, die blöde afrikanische Tasche halb zwischen sich.
    »Ich hab mich schon gefragt, wie lange du noch warten wolltest«, sagte Zoe und zeigte ihre Zähne.
    In der folgenden Nacht war sie irgendwann zu ihm in das kleine Zimmer mit dem Blick auf die alte Ziegelwand geschlichen. Sie hatte lediglich ihr schwarzgrau gestreiftes unterhemdartiges Shirt an, das sie schon am Abend getragen hatte. Nachdem sie sich lange geküsst hatten, hielt sie Harry ihren Zeigefinger an die Lippen. Sie wollte offensichtlich nicht, dass ihr Vater sie beide hörte. Es machte nicht den Eindruck, dass sie hier mit täglich wechselnden Liebhabern aufkreuzte. Harry fand das ganz beruhigend.
    Zunächst behielt sie ihr gestreiftes Hemd an. Erst als sie sich schon langsam auf ihm bewegte, zog er es ihr über den Kopf, wobei sich ihre silbernen Ketten zwischen Kinn und Haaren verfingen. Er versuchte ihre Brustspitzen zu küssen, was ihm in der Bewegung nicht recht gelang. Sie atmete heftig. Trotzdem war sie es, die Harry ihre Hand gegen seinen Mund presste, worauf beide lachen mussten.
    Später hörten sie auf einem Walkman Neil Young, jeder mit einem der beiden Ohrstöpsel. Ihre wilden Haare kitzelten ihn im Gesicht. Die gegenüberliegende Backsteinmauer wirkte in der Nacht wie eine Theaterkulisse. Zwischen zwei Songs war von Weitem die Sirene eines Polizei- oder Unfallwagens zu hören, wie Harry sie nur aus dem Kino kannte.
    Harry hatte immer schon Neil Young gehört. Es war eigentlich keiner seiner ganz großen Favoriten. Aber jetzt wurde es ihre gemeinsame Musik. Im Jahr darauf besuchten sie ein Open-Air-Konzert in Massachusetts. Und wenn sie in ihrem alterschwachen Volvokombi ans Meer fuhren zum Wochenende auf die Hamptons oder im Sommer nach North Carolina, dann kam »Albuquerque« von dem
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