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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
Autoren: Ulla Fröhling
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Bewusstseins«, schreibt Ursula Gast, leitende Ärztin der Klinik für Psychotherapeutische Medizin in Bielefeld, weiter, »wird durch die chronischen Traumatisierungen erschwert oder verhindert.«
    »Früher gab es Anteile«, beschrieb Angela Lenz in ihrem Brief ihre innere Struktur, »… die unbedingt leben wollten, weil sie kaumSchlimmes erlebt hatten. Heute sind sie integriert. Aber ihren positiven Lebenswillen spüre ich nicht. Früher hatte ich kindliche Anteile in mir, die ihren naiven, fröhlichen Optimismus bewahrt hatten. Doch durch das Nachreifen sind sie ›älter‹ geworden, haben das kindlich Fröhliche verloren. Jetzt ist mehr Enttäuschung da, weil das ganz normale Leben zeigt, dass die Wünsche und Träume der ›Kinder‹ nicht erfüllbar sind. Früher gab es Anteile, die beschützen und trösten konnten, doch die sind nach den vielen Jahren müde und selber krank geworden. Früher wusste ich nur von den ›bösen‹ Anteilen in mir, die etwas getan hatten, was nicht richtig war. Heute spüre ich es als meines und bin diejenige, die böse war. Etwas, das ich niemals wollte, ist plötzlich zu meinem geworden. Und alles, was ich früher abgelehnt hatte, ist nun meines. Ich kann nicht mehr trennen zwischen: ›Das haben andere getan‹ und ›Das habe ich getan‹. Alles bin ich und doch auch wieder nicht.«
    Ursula Gast betont in dem Aufsatz auch, wie wichtig es ist, die abgespaltenen Persönlichkeiten aktiv in die Therapie einzubeziehen, um so die Integration zur Entwicklung eines ganzen Selbst einzuleiten und zu unterstützen. Sie schreibt aber nicht, dass dieses schon gelungen sei. Es bleibt ein labiles Gleichgewicht, eine Verletzlichkeit.
    Auch für Nina Temberg waren die neun Jahre der Therapie von Angela Lenz eine überwältigende Erfahrung. Wie geht es ihr zehn Jahre danach? Was hat sich verändert in ihrem Leben durch diese Arbeit? Sie denkt einige Wochen über die Frage nach, dann antwortet sie so, wie ich sie kennengelernt habe, nachdenklich, weich, herzlich und traurig. Fachlich, so schreibt sie, sei sie durch die Arbeit mit Angela Lenz gereift, ein großer Erfahrungsschatz, viel Kompetenz konnte sich entwickeln, von der andere Betroffene, aber auch Kollegen und Kolleginnen profitieren können. Mit dem Herzen und dem Verstand habe sie viel verstanden.Sie sei dankbar, dass Angela Lenz sie so sehr an ihrem Leben habe teilnehmen lassen. Sie hoffe und wünsche, »dass die Arbeit hilfreich war. Ich weiß, dass ich mein Bestes getan habe«. Schließlich erzählt sie auch noch, wie es in ihr aussieht:

    Ich ließ die Klientin und das Schwere an mich heran und konnte es nicht wieder herauslassen – lange nicht. Es traf etwas in mir – von zu viel, zu schwer, zu traurig – und gleichzeitig von stark, mutig, kämpferisch –, was mich öffnete und wo ich mich doch auch verschließen musste, ich hätte es sonst nicht ausgehalten. Nach einem Sportunfall und dreimonatiger Arbeitspause konnte ich plötzlich den Begriff von sekundärer Traumabelastung füllen/fühlen. Durch den Unfall war mein Schutzschild aufgebrochen. Da konnte ich nicht mehr so weitermachen, ich hatte solch eine Sehnsucht nach Schönheit, Zartheit, Sanftheit, dass ich die Arbeit umorganisieren musste. Ich konnte diese Ausmaße von Not nicht mehr ertragen und musste einen mir erträglichen Umgang finden – und bin immer wieder aufs Neue dabei. Ich habe schwer traumatisierte Klientinnen ›abgegeben‹. Was ist das richtige Maß bei der Arbeit? Die Balance zwischen Empathie und Abgrenzung, zwischen Zartheit und Stärke zu finden und zu halten ist meine Aufgabe.
    Angela Lenz aber weiß genau, was sie ihrer Therapeutin Nina Temberg verdankt: »Ohne sie wäre ich heute nicht mehr am Leben.«
    Schließlich noch ein Anruf von Angela. Endlich ist das Gutachten da: eine berührende Darstellung und die Anerkennung ihres Selbst und ihres Leids. Umfassend, fachkundig, menschlich. Die Diagnose: »Dissoziative Identitätsstörung als Folge extremer Gewalterfahrung in der Kindheit«. Alles, was heute zwischen Angela Lenz und einem gesunden, stabilen, freien, selbstbestimmten Leben steht, ist die Folge der wiederholten körperlichen und sexuellen Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in der Kindheit.
    Nun hat sie Ruhe. Fünf Jahre lang.
    Als ich sie kurz vor Drucklegung dieses Buches anrufe, erzählt sie vergnügt, dass ihr Zimmer neu gestrichen wird. Gelb, fröhlich, und große Stofftiere will sie hineinstellen. Ein bisschen wie Urwald soll es
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