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Vampirnacht

Vampirnacht

Titel: Vampirnacht
Autoren: Yasmine Galenorn
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fuhren mit uns in der ersten Kutsche.
    Blickfänger beleuchteten die Stadt, und mir fiel auf, dass die Straßen erstaunlich sauber waren. Offenbar waren die Bettler dazu angehalten worden, das Pflaster zu kehren, Müll aufzusammeln und den Mist von den Straßen zu räumen, den Pferde und andere Tiere hinterließen. Tanaquar hatte ein einfaches Programm eingeführt, das jedermann Essen gegen Arbeit versprach. Und obwohl sie unseren Vater ausgenutzt und uns viel Ärger bereitet hatte, musste ich ihr eines lassen – die Obdachlosen von den Straßen zu holen und sie für einfache Arbeiten mit Essen und einer schlichten Unterkunft zu entlohnen, war genial.
    Wir rumpelten über das Pflaster, begleitet vom Stakkato des Hufschlags, und Nerissa zeigte immer wieder auf Bäume und Blumen, die sie nicht kannte, und bestaunte die einmalige Architektur der Anderwelt. Ich ließ sie schwatzen und freute mich an ihrer lebhaften Mimik und der Aufregung in ihrer Stimme.
    »Ich wünschte, du könntest das alles bei Tageslicht sehen. Und das sollst du auch, denn wir werden zwei Tage bleiben. Ich habe schon alles arrangiert. Vater hat eine sichere Unterkunft für uns angemietet, mit einem Unterschlupf für mich. Dort werde ich in Sicherheit sein, während du mit Camille und Delilah die Stadt erkundest.«
    »Aber ich muss arbeiten …«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe auch mit Chase gesprochen. Du hast die nächsten paar Tage frei. Wir brauchen alle dringend eine Pause. Die Jungs reisen nach der Feier wieder nach Hause, bis auf Smoky, und wir bleiben hier und besuchen Vater und vielleicht … vielleicht auch ein paar alte Freunde. Sofern sie den Bürgerkrieg überlebt haben sollten.« Ich erwähnte nicht, dass wir hier früher herzlich wenig Freunde gehabt hatten.
    Die Fahrt durch die Stadt zum See dauerte fast zwei Stunden, doch um neun Uhr Erdwelt-Zeit erreichten wir den Park, in dem die Erulizi-Fälle lagen. Hier schlugen die Bäume gerade erst aus, und die winzigen grünen Blättchen glänzten feucht. Tagsüber hatte es geregnet, doch nun leuchteten die Sterne, und das zarte Flüstern einzelner Tropfen von den Zweigen ins üppige Gras war beruhigend. Die Nacht war kühl, aber nicht kalt, und ich sah, dass mein Vater Zelte aufgestellt hatte, in denen wir uns ein wenig entspannen und umziehen konnten.
    Die Wasserfälle …
Die Erulizi-Fälle waren einer der schönsten Orte, die ich in der Anderwelt je gesehen hatte. Sie waren breit, aber nicht sehr hoch und verdeckten eine Höhle, in der eine Göttin leben sollte. Den ganzen Sommer über brachten Frauen ihr Blumen und erbaten ihren Segen für das Haus und die Liebe – denn Erulizi war eine Göttin der Leidenschaft und Freude. Wasser schoss im Licht der Mondsichel glitzernd und tosend von den Felsen hinab in den See, dessen Oberfläche in ständiger Bewegung war.
    Ich erinnerte mich an die vielen Feste und Feiertage, die ich in meiner Jugend hier erlebt hatte. Diese Tage gehörten zu meinen glücklichsten Erinnerungen.
    Y’Elestrial hatte heute sein öffentliches Frühlingsfest zur Tagundnachtgleiche gefeiert, und heute Nacht würden wir unser Fest feiern. Und wenn es Erulizi gefiel, wenn sie gut gestimmt war, würde sie vielleicht unsere Ehe segnen.
    Nerissa ging bis ans Seeufer und starrte auf die weite Wasserfläche hinaus. »Daran könnte ich mich gewöhnen«, sagte sie und drehte sich zu mir um. »Ich könnte mich daran gewöhnen, hier zu leben. Nur … damit du das weißt.«
    Ich verstand, was sie damit sagen wollte, und schlang einen Arm um ihre Taille. »Vielleicht werden wir eines Tages in beiden Welten ein Zuhause haben.«
    »Das fände ich schön«, sagte sie.
    »Was ist mit deiner Wohnung? Willst du sie behalten, wenn du jetzt bei uns einziehst?« Wir hatten uns überlegt, dass ich tagsüber schlief und sie nachts, wir uns also gefahrlos mein Schlafzimmer teilen konnten.
    Den Keller konnten wir zwar nicht ausbauen, aber die Jungs würden oben ein extra Wohnzimmer anbauen, nur für uns beide. Dann konnte Nerissa sich in einen eigenen Raum zurückziehen statt in den Salon, und sie würde nicht mehr auf dem Sofa oder auf einem Klappbett in Delilahs ungenutztem Zimmer schlafen müssen.
    »Ich werde sie vermieten. Die zusätzlichen Einnahmen wären nicht verkehrt.« Sie atmete tief ein, langsam aus und schüttelte den Kopf, um sich die Brise durchs Haar streichen zu lassen.
    »Ich habe eine Überraschung für dich. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.« Ich drehte mich
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